"Die Neger", ein "klares antirassistisches Statement"

In Jean Genets Stück „Die Neger“ sind die Schauspieler nicht geschminkt wie auf dem Ankündigungsfoto, sondern tragen alle Masken
Johan Simons inszeniert Jean Genets "Die Neger" (ab 3. 6.) im Theater Akzent.

Proteste provozierte ein Foto zur Ankündigung von "Die Neger" von Jean Genet, eine Koproduktion der Münchner Kammerspiele und der Wiener Festwochen (ab 3. 6.).

Es zeigt schwarz geschminkte Gesichter. Und die Praxis des "Blackfacing", also weiße Schauspieler als Schwarze zu schminken, ist umstritten, weil sie im 19. und bis Mitte des 20. Jahrhunderts vor allem in den USA und Großbritannien dazu verwendet wurde, um sich in "Minstrel Shows" – rassistischen Revuen – über Schwarze lustig zu machen.

Johan Simons inszeniert Genets selten gespieltes Stück aus dem Jahr 1958 zum Thema kolonialer Gewalt: "Denn Rassismus und Ausbeutung sind heute keinesfalls verschwunden. Im Gegenteil, wir leben heute in einer globalisierten, kapitalistischen Welt, in der ökonomische und soziale Diskriminierungen immer größer werden."

Was interessiert Simons am Autor Genet? "In den 60er-Jahren, als ich mich mit dem Existenzialismus beschäftigt habe, wurden nicht nur die künstlerischen Texte, sondern auch die politischen Statements Genets viel diskutiert", sagt Simons.

Revolte eines Outcast

"Er sympathisierte mit der RAF und mit der FLN, der algerischen Befreiungsfront, er war fasziniert und hatte Kontakt mit der Black-Panther-Bewegung, schrieb auf Einladung der PLO über den Kampf der Palästinenser. Er hat sehr streitbare, auch fragliche politische Positionen eingenommen, zum Beispiel ein völlig ungebrochenes Verhältnis zur revolutionären Gewalt. Er war – glaube ich – der Meinung, dass ohne Gewalt Revolten nicht glücken können."

Für Genet sind mit "Die Neger" alle Außenseiter, die unterdrückt und diskriminiert werden, gemeint.

"Ich konnte mich nur den farbigen Unterdrückten anschließen, die gegen die Weißen revoltierten. Gegen alle Weißen. Ich bin vielleicht ein Schwarzer, der weiße oder rosa Hautfarbe hat", so Genet. Der empfand sich zeitlebens als "Neger", als Outcast, als Schwuler, der er war, als Künstler, dessen Leben und Werk eine Revolte sein sollte gegen ein verlogenes Bürgertum.

"Neger" war für Genet das Synonym für Außenseiter der Gesellschaft. Im von ihm als Clownerie bezeichneten Stück sollte das Groteske dominieren. Geschrieben war es für ein weißes Publikum, dem der Spiegel vorgehalten werden sollte. "Dieses Publikum wollte er provozieren durch das Vorführen rassistischer Klischees, mit denen Weiße Schwarze denunzieren und auf deren Grundlage sie sie ausgebeutet und unterdrückt haben", so Simons.

Ein Maskenspiel

"Genet schrieb das Stück für schwarze Schauspieler, die in einem sehr komplexen Maskenspiel diese Klischees verhöhnen sollten."

Proteste bei der Wiener Premiere sind durchaus möglich. Wie schon beim Ankündigungsfoto, das vier Frauen mit schwarz bemalten Gesichtern zeigt, wobei zudem Mund- und Augenpartien mit bunten Farben hervorgehoben sind.

Aber dem Regisseur sind Diskussionen über Rassismus nach der Premiere lieber. Sei doch das Stück mit dem irritierenden Titel ein "antirassistisches Statement par excellence".

Kunst bedeute nicht, "die ganze Zeit alle Menschen zu streicheln", sagt Simons. Und verweist im Zusammenhang mit dem Foto auf ein Zitat von Genet, in dem er fragt: "Was ist denn eigentlich ein Schwarzer? Und vor allem: Was für eine Farbe hat er?"

Als Peter Stein 1983 "Die Neger" inszenierte, hatte Genet die Besetzung mit weißen Schauspielern ausdrücklich gebilligt. "Und wenn ich das Stück heute mit weißen Schauspielern, die weiße und schwarze Masken tragen, inszeniere, dann geht es mir nicht darum, Schwarze auf der Bühne zu imitieren", sagt Simons.

"Die Neger", ein "klares antirassistisches Statement"
epa03955525 Dutch theatre director Johan Simons attends a press conference in Duisburg, Germany, 18 November 2013. Simons will become the new artistic director of the annual Ruhrtriennale music and arts festival from 2015 to 2017. EPA/ROLAND WEIHRAUCH
"Peter Stein hat damals mit seinen Schauspielern den Weg verfolgt, an afrikanischen Ritualen zu arbeiten – an sich als theatraler Vorgang nicht uninteressant, aber ich suche einen anderen Weg. Mir geht es darum, den Schmerz, die Scheu und die Scham aufzuzeigen, die wir, die Schauspieler, das Team und ich als Regisseur empfinden, wenn wir uns auf der Bühne direkt mit unserer historischen Rolle und diesen rassistischen Klischees konfrontieren."

Dabei ist auch ein schwarzer Schauspieler: Felix Burleson, ein Niederländer mit Wurzeln in Surinam. Simons möchte "das ganze Stück als eine Art ,Albtraum‘ dieser Figur auf die Bühne bringen".

"Über Eierschalen zu balancieren", habe jedenfalls keinen Sinn, so Simons. "Wir müssen in unserer künstlerischen Arbeit auch frei sein, schmerzende Wege zu gehen."

Gegen die Klischees

Stück: Ein farbiges Schauspielerensemble, ein Maskenspiel, ein Lustmord: Jean Genet nahm in „Die Neger“ (1958) mit Spott die rassistischen Klischees aufs Korn. In einem vielschichtigen Text, der mit böser Komik die Situation im Theater selbst, letztendlich aber die brutale Realität draußen widerspiegelt.

Wann & Wo: 3. 6. (Premiere), 5., 6. und 7. 6. (19.30 Uhr) Theater Akzent

www.festwochen.at

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