Über die Hintergründe ließ Rektor Andreas Mailath-Pokorny, der vormalige Kulturstadtrat (SPÖ), recherchieren: Es entstand der sehr lesenswerte Band „Die Musikschule der Stadt Wien im Nationalsozialismus“ (Verlag Hollitzer). Der Konnex zur MUK erschließt sich sonderbarerweise nicht von außen: Auch im Text auf der Rückseite wird mit keinem Wort erwähnt, dass aus der Musikschule das Konservatorium bzw. die MUK wurde.
Die Beiträge selbst aber legen die Fakten schonungslos offen. Wolfgang Dosch zum Beispiel, Leiter des MUK-Lehrgangs Klassische Operette, begab sich „auf die Suche nach den Anfängen der Operettenausbildung“ – mit der Installierung einer Fachklasse im Jahr 1940.
Und Oliver Rathkolb beschäftigt sich in seinem Beitrag mit der Gründung der Musikschule. Die Nationalsozialisten lösten nach dem „Anschluss“ drei private Vereine auf (das Neue Wiener Konservatorium, das Wiener Volkskonservatorium und das Konservatorium für volkstümliche Musikpflege), die neue „Musikschule der Gaustadt Wien“ übernahm die Vermögenswerte, teilweise das Inventar wie auch das Lehrpersonal. Im Hauptgebäude, am 3. November 1938 eröffnet, richtete man eine Bibliothek und ein Instrumentenarchiv ein, so Michael Wladika. Der Provenienzforscher des Wien Museums sichtete die Bestände. Unter den „Erwerbungen“ zwischen 1938 und 1945 fand er „500 Bücher, 10.000 Notenblätter und 40 Instrumente“.
Man kann davon ausgehen, dass es sich zumeist um „Entziehungen“ handelt. Hinweise auf vormalige Eigentümer fehlen in der Regel, in zwei Fällen aber wurde Wladika fündig: Ein Konvolut mit Richard-Wagner-Notenblättern stammt aus dem Besitz von Rudolf Wittmann, dem 1939 die Flucht geglückt war, und der zweite Band „Ratschläge für Aufführungen klassischer Symphonien“ von Felix Weingartner gehörte Elsa Bienenfeld.
Die Kritikerin und Pianistin, die bei Arnold Schönberg Privatunterricht erhalten hatte, wurde am 20. Mai 1942 in das Vernichtungslager Maly Trostinec bei Minsk deportiert, wo sie ermordet wurde. Deren Fachbibliothek, Ende September 1939 von der Gestapo beschlagnahmt, landete zum Teil in der Wienbibliothek. Bereits 2008 kam es zur Rückstellung der Bücher an die in London lebende Rechtsnachfolgerin.
Wladika empfahl in beiden Fällen die Restitution. Bis dato konnte allerdings kein Rechtsnachfolger von Rudolf Wittmann ausfindig gemacht werden. Die Erbin nach Elsa Bienenfeld hingegen, Susie Deyong, kennt man ja bereits: Rektor Mailath-Pokorny lud sie und ihre Familie nach Wien ein. Im Rahmen einer Feier wurde ihr das Buch am Dienstag von Bürgermeister Michael Ludwig (SPÖ) überreicht.
Zudem wurde am Standort Johannesgasse eine Gedenktafel in fünf Sprachen zur Erinnerung an die NS-Vergangenheit enthüllt.
Kommentare