Desolater Dichter
Neben transparenten Vorhängen dominiert eine Videowand, auf der meist der See, an dessen Ufer die Handlung spielt, vor sich hin wogt. Manchmal dient er ganz geschickt der Erweiterung der Bühne: etwa wenn der gefeierte Schriftsteller Trigorin und die angehende Schauspielerin Nina gemeinsam im Wasser schwimmen, während ihre jeweiligen anderen Partner, die berühmte Schauspielerin Irina und ihr Sohn Konstantin noch nicht ahnen, was sich anbahnt.
Seinen letzten fatalen Schritt aus dem Leben wird der desolate Dichter Konstantin am Ende ebenfalls in diesen Video-Wellen setzen.
Klimawandel
Auch bei der Aufführung von Konstantins Stück, als apokalyptischer Klimawandel-Monolog gedeutet („Die Erde brennt“) und auf einem Gartensesselstapel vorgetragen, spielt die Wasser-Projektion eine Rolle. Dieser Monolog, der Kostja so viel bedeutet, aber von seiner Mutter mitleidlos zerlacht wird.
Nils Arztmann spielt den glücklosen Schriftsteller mit Batman-Joker-Fratze rechtschaffen verzweifelt. Sandra Cervik nimmt man die existenzvernichtende Grausamkeit und übermächtige Dominanz aber nicht immer ab. Paula Nocker gelingt die naiv-strahlende Nina besser als die Nina, die nach ihrer Beziehung von Trigorin wieder „ausgespuckt“ wurde. Claudius von Stolzmann ist wiederum eher als hin- und hergerissenes Schoßhündchen seiner Irina überzeugend. Markus Kofler hat als Gutsverwalter einige Lacher, Johanna Mahaffy spielt die unerwidert in Kostja verliebte Mascha mit trockenem Lebensverdruss.
Trocken ist hier freilich keiner, die lässig aus dem Handgelenk geschwungene Wodkaflasche gehört als Regieeinfall genauso dazu wie ein ständiges sich Ent- und sofort wieder Bekleiden der Figuren.
Martin Schwab darf als Kostjas Onkel sachten Slapstick einbringen. Er ist es auch, der einmal, als wäre es eine erleuchtende Eingebung, sagt: „Ohne Theater geht es nicht.“ Immer wieder fokussiert sich Fischers Inszenierung auf den Widerstreit zwischen zwei Formen des Theaters, die Kostja und seine Mutter verkörpern. Schmerzgeburt versus Divenbühne, politisches Theater gegen Theater „der Routinierten“. Diese „Möwe“ gehört sicher eher zu letzterem denn zu ersterem.
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