Die Möglichkeit, Störung zuzulassen

Die Möglichkeit, Störung zuzulassen
Komponist Rupert Huber gastierte am Samstag im Linzer Mariendom, wo er Töne durch das Kirchenschiff schickte.

Quasi das leise Gegenstück zur Klangwolke mit ihrer gigantischen 300.000-Watt-Anlage gab es gestern, Samstag, im Mariendom Linz zu hören. Bei einer mehrstündigen Installation und einem Konzert unter dem Titel „Teardrops“ schickte der Wiener Musiker und Komponist Rupert Huber im Rahmen des Ars Electronica Festivals elektronisch verfremdete Klavier-Töne durch die Weiten des Kirchenschiffs. „Mich hat es schon immer gereizt, mit der Höhe und der Weite eines Raums zu spielen“, sagt der vielfach ausgezeichnete Musiker.

Die Töne sollten dabei wie Tränen von den Wänden und Decken tropfen und nachhallen. „In unseren Kirchen ist es  verboten, Gefühle zu zeigen. In Gospelkirchen wiederum ist es etwas ganz anderes, dort lachen und weinen die Menschen. Dabei sind die Häuser gerade für emotionale Situationen gebaut worden, etwa für Taufen oder Begräbnisse“, erklärt Huber sein Konzept für den Dom.

Erfinder

Ungewöhnliche Orte haben es Huber immer schon angetan. Vor sechs Jahren gab er ein Klavierkonzert unter der viel befahrenen Wiener Südosttangente, ein anderes Mal spielte er am Dach des Wiener Funkhauses. Besonders außergewöhnlich bezeichnet Huber seinen Auftritt im neoklassizistischen Palais de Tokyo in Paris, weil es dort „wahnsinnig verhallt“ war. „Ich bin sehr abenteuerlustig und sehe mich mehr als Erfinder denn als Interpret.“ Für ihn gehe es weniger um den Ausdruck der Musik, sondern eher darum, wie man den Klang richtig platziert.

Auch Hintergrundgeräusche wie das Flüstern im Publikum üben auf Huber eine große Faszination aus. „Es reizt mich, Musik für Störung zu machen.“ Er spiele  gerne so leise, dass  Hintergrundgeräusche  in die Musik  miteinfließen. „Ich war nie ein Fan von immer schneller, immer lauter, um andere zum Schweigen zu bringen.“  Diese Idee, Störung zuzulassen, sei auch  beim Elektronik-Duo Tosca präsent, das er mit  dem DJ und Produzenten Richard Dorfmeister   bildet. Wenn auch nicht ganz so stark.
Einigen Kritikern war das dennoch ein Dorn im Auge. „Wir sind in Verruf geraten, dass wir Lounge- und Hotellobby-Sound machen“, sagt der Künstler, der mit Tosca  Erfolge im In- und Ausland gefeiert hat. Das neue Album der Gruppe, die Funk und Downbeat verbindet, soll übrigens Anfang nächsten Jahres erscheinen.

Ars Electronica

Für Huber war es am Samstag nicht das erste Gastspiel auf der Ars Electronica, die noch bis 3. September dauert. Verbindungen zum Festival habe er  schon seit der „Steinzeit“, den frühen 1990er-Jahren.  Er spielte unter anderem  mit Tosca im Alten Dom oder saß 2007 und 2009 in der Jury zum Prix Ars Electronica.  Außerdem gestaltete er in Zusammenarbeit mit dem Futurelab am neuen Terminal des Flughafens Wien-Schwechat  die interaktive Klanginstallation „ZeitRaum“ für gestresste Passagiere. Die Daten der abhebenden und landenden Flugzeuge verwandeln sich dabei in wohltuende Klänge.

Lebenslauf

Die Möglichkeit, Störung zuzulassen

Rupert Huber studierte an der Wiener Musikuni Komposition. Die Wiener Festwochen oder das Centre Pompidou in Paris  haben bei ihm Werke in Auftrag gegeben. Die Hauptinteressen des 45-jährigen Wieners liegen in der Klaviermusik und in Klanginstallationen im öffentlichen Raum. Außerdem ist er  beim Duo Tosca tätig. Das 1994   mit Richard Dorfmeister gegründete Projekt zählt nach wie vor zu den wichtigsten Vertretern des „Wien Sounds“, der in den
90ern höchst angesagt war.

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