Die Melancholie der Altkleidersammlung

Daniele Tamagni fotografierte die Dandys von Brazzaville, die inmitten großer Armut durch makellossen Stil auffallen und sich Codes der einstigen Kolonialherren aneignen: Vive la sape #2, 2008
Das Lentos Museum widmet sich dem Thema "Mode und Vergänglichkeit".

Eigentlich wollte man ja die leidige Frage „ist das jetzt Kunst oder Mode“ umschiffen: „Love & Loss“, die aktuelle Ausstellung im Lentos Kunstmuseum Linz (bis 7. Juni 2015), setzt sich bewusst dorthin, wo die Grenzen verschwimmen.

Doch inmitten der avantgardistischen Kleider, der Modefotos, Videos und Skulpturen, die die Kuratorin Ursula Guttmann in den Museumsräumen arrangiert hat, kommt der Wunsch nach einer Differenzierung der Sparten durch die Hintertür wieder zurück. Denn man hat sich eines „schweren“ Themas angenommen, „Mode und Vergänglichkeit“ lautet der Untertitel. Und es stellt sich die Frage, ob diesem Feld besser mit zerschlissenen Punk-Klamotten oder doch eher mit Skulpturen, die vorgeblich den Totenschädel von Bugs Bunny darstellen, beizukommen ist.

Zwei Perspektiven

Dass die Linzer Ausstellung trotz manch wunderbarer Exponate einen zwiespältigen Eindruck hinterlässt, liegt wohl daran, dass der Begriff „Vergänglichkeit“ aus zwei unterschiedlichen Blickwinkeln gedacht wurde: Zum einen ging es Guttmann und ihrem Team um die Darstellung einer Entwicklung seit den 1980ern, in der das Gebrauchte, Zerschlissene, eben materiell „Vergängliche“ Eingang in die Mode fand. Zur Illustration liegt etwa ein Pulli mit künstlichen Spermaflecken, ersonnen vom Modeschöpfer franztthomaspeter (sic), zur Ansicht bereit; die Aktion „Bacteria Dress“, für die Schöpfungen von Martin Margiela mit zersetzenden Bakterien „geimpft“ wurden, findet sich ebenso dokumentiert.

Doch inwiefern taugt derlei materielle Vergänglichkeit als große, poetische Geste, die womöglich hilft, mit der Gewissheit von Tod und Verderben besser umzugehen? Es ist nicht so, dass Modeschöpfer nicht auch dazu Bewegendes beizutragen hätten, schließlich geht das Thema alle an, und als Ressource von Würde im Leben ist Mode gar nicht hoch genug zu schätzen.

Die Melancholie der Altkleidersammlung

Die Melancholie der Altkleidersammlung

Die Melancholie der Altkleidersammlung

Die Melancholie der Altkleidersammlung

Die Melancholie der Altkleidersammlung

Die Melancholie der Altkleidersammlung

Die Melancholie der Altkleidersammlung

Die Melancholie der Altkleidersammlung

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Die Melancholie der Altkleidersammlung

Die Melancholie der Altkleidersammlung

Die Melancholie der Altkleidersammlung

Die Melancholie der Altkleidersammlung

Dennoch gibt es einen Unterschied zwischen Kontemplation im Museum und der Integration von Dingen ins Leben, und hier krachen die Kategorien in der Linzer Schau auf genau dieselbe Art zusammen wie in vielen anderen „Kunst-trifft-Mode“-Konstellationen auch. Einzelne Themen-Kapitel, etwa zum Phänomen des Unheimlichen , sind dabei stimmig arrangiert: Das „Knochenkleid“ von Käthe Wenzel, die mit Zähnen und Knochen bewehrten Schuhe von Mariana Fantich und Dominic Young, die filigranen Texturen in den Bildern eines Celio Braga gehören zu echten Entdeckungen der Schau. Doch die Kombination mit Abschnitten zur Gothic- und Punk-Mode, zur Modefotografie der 1980er erschließt sich nicht wirklich, hier untergräbt eine Herangehensweise die andere. Wie so oft wäre auch in dieser Schau ein weniger mehr gewesen.

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