Die Lizenz zum Kunstkopieren

Die Lizenz zum Kunstkopieren
Alle Bücher von Autor Paulo Coelho sind gratis im Netz zu bekommen. Andere Künstler sehen darin eine finanzielle Überlebensgefahr.

Nichts hat die soziale Lage von Künstlern zuletzt annähernd so stark beeinflusst wie das Internet: Popkultur ist immer und überall und gratis zu bekommen. In dieser Online-Kulturrevolution geht es um die Neuverteilung von Milliardenwerten. Umso erstaunlicher ist, dass bis heute über eine anscheinend banale Frage ein erbitterter Propagandakrieg geführt wird – ob denn das Web den Künstlern schadet oder nützt. Die Antwort ist allen Konfliktparteien unangenehm: Im Streit um die Einnahmen gibt es klare Sieger und klare Verlierer. Aber die Künstler sind keines von beiden.

Kopieren

Die Rechnung scheint einfach: Seit im Internet Musik kopiert wird, ist der Tonträgermarkt um mehr als 50% eingebrochen. Tauschbörsen und Downloads sind daher schuld an der Verschlechterung der sozialen Lage von Kunstschaffenden. Doch die Zahlen belegen nicht die ganze Wahrheit. Viele Künstler profitieren von der Gratiskultur im Internet. Bestsellerautor Paulo Coelho rät: „Kopiert meine Bücher.“ Dadurch bekämen mehr Menschen Zugang zu seinen Werken – wer sie mag, wird das eine oder andere kaufen.

Beide Argumente haben viele Anhänger. Die Initiative „Kunst hat Recht“ versammelt 2500 Künstler. Gefordert werden u. a. ein zeitgemäßes Urheberrecht und die rechtliche Festlegung auf eine Kultur-Abgabe auf Festplatten. Denn „immer weniger Kunstschaffende in Österreich können von ihrer Arbeit leben.“ Aber keineswegs alle Künstler teilen diese Sicht: Die Lebensgrundlage der Kunstschaffenden war „schon immer bedroht, nicht erst durch digitale Kopiermöglichkeiten im Netz“, betont die IG Kultur. Das Urheberrecht und CD-Verkäufe haben auch schon früher nur einem verschwindend kleinen Teil der Künstler erlaubt, von ihrer Arbeit zu leben.

Große Einbußen durch Downloads haben vor allem die Zwischenhändler – Labels, Verlage – erlitten. Diese sind (oder werden) die klaren Verlierer der Online-Revolution. Denn die Popkultur-Einnahmen fließen zunehmend an die neuen Machthaber im Internet. Googles Videoplattform YouTube und Facebook, aber auch nicht legale Download-Seiten verdienen gutes (Werbe-)Geld mit jenem Interesse, das künstlerische Inhalte wecken. Auch die Internetprovider, selbst die Hersteller von Festplatten sind an Kulturprodukten interessiert. Denn je mehr Songs, Filme, Bilder heruntergeladen und gespeichert werden, desto mehr Breitbandinternet oder Festplatten werden verkauft.

Zwischen Labels, Online-Giganten und Computerherstellern werden „größere Dinge verhandelt“ als die soziale Lage der Kulturschaffenden, erklärt der Künstler Günther Friesinger („monochrom“). „Künstler und Konsumenten werden für einen Stellvertreterkrieg instrumentalisiert.“

Eine weitere unangenehme Wahrheit: Bei KURIER-Recherchen war heimisches Kulturschaffen (etwa aktuell preisgekrönte Filme) auf den Tauschbörsen keineswegs stark angeboten.

Überwachung

Derzeit besonders kontrovers sind aber die Branchen-Forderungen (wie etwa von „Kunst hat Recht“), die das Internet betreffen. Der Provider müsse bei Urheberrechtsverletzungen u. a. verpflichtet werden, Namen der Anbieter (nach richterlichem Beschluss) bekannt zu geben, Warnhinweise einzublenden oder auch Angebote zu sperren, sagt Label-Betreiber Stephan Dorfmeister. „Wenn ich wissentlich etwas mache, was nicht rechtens ist, ist es dann richtig, nur weil ich es im Internet mache?“

Hier legt sich die Kultur aber mit einem neu erstarkten Gegner an: Jene, die mit dem Internet als Selbstverständlichkeit aufgewachsen sind. In den USA mussten Pläne, Webseiten im Namen des Urheberrechts zu sperren, auf Eis gelegt werden. Das aus ähnlichen Gründen umstrittene ACTA-Abkommen ist in Europa schwer unter Beschuss gekommen. „Völlig inakzeptabel“, findet auch Friesinger Internet-Sperren. Das Internet als Markt zu erschließen „geht nicht mit Klagen und Zwang“.

Georg Leyrer

Geld aus dem Netz

Wie Stromberg zu seinem Filmbudget kam

Es ist das Zauberwort für die Finanzierung von ungewöhnlichen Fernseh- und Filmprojekten: Crowdfunding. Die Idee ist einfach und effektiv: Fans tun sich zusammen und spenden, was sie verkraften können, damit ein Film gedreht werden kann.

Bestes Beispiel für eine erfolgreiche „Schwarmfinanzierung“ ist der Film zur deutschen Erfolgsserie „Stromberg“: Um die Kinoversion zum TV-Hit umsetzen zu können, war eine Million Euro nötig, die die Produktionsfirma Brainpool nicht aufbringen konnte. Die Fans wollten das aber nicht hinnehmen und trugen in nur einer Woche das Geld zusammen.

Bereits für 50 Euro war man mit dabei, insgesamt zahlten mehr als 3000 Investoren ein. Im Frühling soll nun mit dem „Stromberg“-Filmdreh mit Christoph Maria Herbst in der Hauptrolle begonnen werden.

Gewagt

Crowdfunding eröffnet Kreativen die Möglichkeit, ihre oft auf den ersten Blick gewagten und avantgardistischen Projekte umzusetzen. Gertraud Leimüller von der creativ wirtschaft austria: „Unkonventionelle Geschäftsideen sind oft nur schwer mit den konventionellen Finanzierungsformen klassischer Geldgeber in Einklang zu bringen.“ Der Zugang zu Wagniskapital werde als größte Hürde im künstlerischen Bereich empfunden.

Durch Crowdfunding aber können Bands ihre erste CD finanzieren, Autoren ein Buch veröffentlichen oder Modedesigner ihre erste Kollektion auf die Beine stellen. Komplizierte Vertragsklauseln gibt es für die Mikro-Investoren keine: Jeder zahlt, was er für angemessen hält und wird dafür mit Anerkennung belohnt.

Das kann eine Erwähnung im Abspann eines Films oder ein Vermerk auf der Packung des neuen Produkts sein. Im Vordergrund steht das gemeinsame Bestreben, eine Idee zur Umsetzung zu bringen. Was noch viel Zukunftspotenzial hat.

Susanne Lintl

Heimische Bands und das Web

CD-Verkäufe „kann man im Grunde vergessen“

Die neue Generation der heimischen Popmusik kennt es nicht anders: Sie ist mit den Vor- und Nachteilen des Internets aufgewachsen. Und beschreibt gegenüber dem KURIER ihr ambivalentes Verhältnis zum Web.

„Plattenverkäufe kann man als Band ohne riesiges Marketingbudget im Grunde vergessen“, sagt Christian Fuchs von der Band Bunny Lake. „Jugendliche verstehen nicht mehr, warum man für Musik zahlen soll.“

Auch das Argument, dass Bands mit Live-Einnahmen den Verdienstentgang wieder wettmachen können, wird „etwas zu hochgespielt, das trocknet im Mittelfeld ja auch aus. Wahrscheinlich kehrt der Pop, abseits der Riesenbands, irgendwann in den Hobbykeller zurück. Oder er wird vom neuen Mäzenatentum der Firmen gesponsert und gestützt.“

Die Band Beth Edges gibt sich pragmatisch: „Man kann das Internet und seine Übel ohnehin nicht rückgängig machen. Anstatt ,den guten alten Zeiten‘ nachzutrauern, sollte man vielmehr überlegen, wie man das vielfältige virtuelle Medium bestmöglich nutzen kann.“

Geheimnis Und dieser Nutzen ist insbesondere die Kommunikation mit den Fans. Für Fuchs ist es „extrem großartig“, mit „der Welt, dem potenziellen Publikum, den Fans zu kommunizieren“. Aber Pop ist durch das Web „jederzeit verfügbar, nichts mehr wert, vor allem auch ideell. Für viele bedeutet Pop anonymer MP3-Ramsch, den man sich nebenbei aus dem Netz saugt.“

Nach dem Einbruch bei den CD-Verkäufen gilt es nun, neue Wege zu finden, um die Nähe zum Fan zu Geld zu machen. „Der Wille, ,Produkte‘ der Lieblingsband zu kaufen, besteht ja nach wie vor“, sagen die Beth Edges. Doch dabei geht es nicht mehr um die „klassische CD“, sondern vielleicht um „eine interaktive Fan-App im Onlinestore oder Merchandising, zu dem die Fans aktiv ihre Ideen beigetragen haben“.

Brigitte Schokarth

Mehr zum Thema

  • Hauptartikel

  • Kommentar

Kommentare