"Die Kameliendame": Heftige Emotionen einer großen Liebe

"Die Kameliendame": Heftige Emotionen  einer großen Liebe
Hinreißend: John Neumeiers Handlungsballett „Die Kameliendame“ in der Wiener Staatsoper

Von: Silvia Kargl

John Neumeiers am Sonntag erstmals vom Wiener Staatsballett in der Staatsoper aufgeführtes Stück „Die Kameliendame“ hat alles, was zu einem erstklassigen Ballett gehört. Die Rollen werden allein durch die Choreografie mit Tanz, Körperhaltung und Mimik gestaltet, der Inhalt wird ausschließlich im Tanz vermittelt. Dazu kommen die Ausstattung Jürgen Roses mit Kostümen, die vor den spärlich eingesetzten Requisiten besonders gut zur Geltung kommen, und Musik von Frédéric Chopin.

Sowohl die Kompositionen für Orchester und Klavier, von Markus Lehtinen dirigiert und vom Pianisten Michał Białk interpretiert, als auch die Soloparts für Klavier, auf der Bühne von Igor Zapravdin gespielt, wirken wie für Neumeiers Ballett geschaffen.

"Die Kameliendame": Heftige Emotionen  einer großen Liebe

Timoor Afshar (Armand) und Ketevan Papava (Marguerite) in "Die Kameliendame"

Das Handlungsballett „Die Kameliendame“ (1978 in Stuttgart uraufgeführt) fußt auf einer literarischen Vorlage: Alexandre Dumas’ Roman „La dame aux camélias“ aus 1848 schildert das Leben und Sterben der Kurtisane Marguerite Gautier im Paris des 19. Jahrhunderts.

Neumeiers überzeugende Dramaturgie nimmt das Ende Marguerites vorweg, indem noch ohne Musik die Versteigerung von Gegenständen in ihrer Wohnung geschildert wird. Anwesend sind Monsieur Duval, von Eno Peci mit viel Einfühlungsvermögen in eine Vaterfigur zwischen gesellschaftlicher Norm und Mitgefühl für das Schicksal der kranken Marguerite gestaltet, und sein Sohn, der unglücklich liebende Armand, mit zunehmender Intensität getanzt von Timoor Afshar.

Die folgenden drei Akte greifen als Rückblick Armands die dramatische Liebesgeschichte auf. Neumeier ergänzt die Handlung durch die Einführung von Manon Lescaut und Des Grieux, hervorragend getanzt und gestaltet von Hyo-Jung Kang und Marcos Menha. Dieses Paar bringt wiederum einen Rückblick und die zeitliche Ebene der Mitte des 18. Jahrhunderts ein, wird zu einem theatralischen Spiegelpaar der Protagonisten.

Drei Pas de deux

Im Mittelpunkt des Balletts wie auch der Einstudierung, für die der 85-jährige John Neumeier nach Wien kam, steht Marguerite. Großartig vermittelt und tanzt Ketevan Papava die Titelrolle, sie zeigt die Stärke einer selbstbewussten Frau, die Wandlung von einer oberflächlichen Beziehung von der Macht des äußeren Scheins bis zu heftigen Emotionen.

Die drei großen Pas de deux machen den Abend zu einem Tanzereignis. Im ersten schildert Neumeier nicht nur die Annäherung der beiden, sondern zeichnet mit vielen Details die Charaktere Marguerites und Armands. Im zweiten Pas de deux geht es um Leidenschaft, aber auch um Vergänglichkeit. Richtig befreit lassen sie dann im letzten Akt ihren Gefühlen freien Lauf.

In den folgenden Vorstellungen werden auch zwei weitere Besetzungen aus den Reihen des Staatsballetts zu sehen sein, die für die individuellen Freiräume stehen, die Neumeier den Tänzerinnen und Tänzern zugesteht.

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