Die im Schatten sieht man doch

Frauenpower der Wiener Werkstätte: Charlotte Billwiller, Mathilde Flögl, Susi Singer, Marianne Leisching und Maria Likarz, Fotografie 1924–’25 
„Die Frauen der Wiener Werkstätte“ (5. 5.–3. 10.) holt die bisher wenig beachteten zwischen 1903 und 1932 kreativen Künstlerinnen, Designerinnen und Kunsthandwerkerinnen vor den Vorhang

Die Wiener Werkstätte (WW), gegründet 1903 von Josef Hoffmann, Koloman Moser und Fritz Waerndorfer, ist nicht länger männlich dominiert. Spät kommt die Erkenntnis, dass der künstlerische Einfluss und die Leistungen der Frauen auf diese Bewegung der Moderne bisher in der Wahrnehmung deutlich unterschätzt wurden.

Insofern ist „Die Frauen der Wiener Werkstätte“ im Museum für angewandte Kunst (MAK) – für Christoph Thun-Hohenstein „ein Schlüsselprojekt meiner Direktionszeit“ – eine Schau gegen Unkenntnis und Vergessen.

Sie sagt uns heute, wer sie waren und gibt den fast 180 im Katalog verzeichneten WW-Künstlerinnen von Martha Alber bis Emmy Zweybrück einen Namen, Daten zu Leben und Werk – und im Idealfall ein Gesicht.

„Weiberwirtschaft“

Ein Aufruf vor zwei Jahren brachte überraschend viele Rückmeldungen, sodass eine Art Enzyklopädie der Frauen der WW entstand, die maßgeblich zu deren Stilbildung beigetragen haben.

Präsentiert werden in einem von Claudia Cavallar mit Holzfaserplatten gestalteten Ambiente mehr als 600 Exponate – großteils aus den eigenen Beständen – mit den Schwerpunkten Mode, Gebrauchsgrafik, Stoffmuster und Keramik.

„Wiener Weiberwirtschaft“ nannte man in gewissen Herrenzirkeln die Wiener Werkstätte despektierlich, „unerhörte Pupperlwirtschaft“ gar. Prompt blieben – von wenigen Ausnahmen abgesehen wie Gudrun Baudisch, Mathilde Flögl und vor allem Vally Wieselthier, die 1928 nach New York ging – die männlichen Kollegen und ihre Arbeiten prominenter im Bewusstsein der damaligen Öffentlichkeit und vor allem der Nachwelt haften.

Während Frauen von Anfang an mit eigenwillig gestalteten Postkarten, außergewöhnlichem Textildesign und expressiver Keramik Look und Image der WW prägten, aber im Hintergrund blieben.

Die ins Licht zu rücken, die bisher im Schatten standen, ihnen Präsenz zu geben, war das Anliegen der langjährigen MAK-Kustodin Elisabeth Schmuttermeier und der Kuratorin Anne-Kathrin Rossberg: „Der rote Teppich ist ausgerollt.“ Zum Beispiel für die Textilkünstlerin Martha Alber: Von ihr stammt das WW-Stoff-Motiv „Blätter“ für jenes Kleidungsstück, das auf Gustav Klimts unvollendetem Porträt von 1917/’18 das Modell Johanna Staude trägt. Eine Bluse aus dem gleichen Stoff ist nun direkt neben dem Gemälde aus dem Belvedere Museum zu sehen.

Die im Schatten sieht man doch

Großformatige Skulptur der Keramikerin Gudrun Baudisch: 
„Kniendes Mädchen“, um 1927
 

„Der blaue Engel“

Den Kimono aus Seide, den Marlene Dietrich als laszive Sängerin Lola Lola im Film „Der blaue Engel“ (1929) trug, war eine Kreation von Maria Likarz, die für die WW u. a. Postkartenmotive, Glasdekore, Email- und Holzobjekte und mehr als 200 Stoffmuster entworfen hat.

Spätestens ab 1916 mit der Einrichtung der Künstlerwerkstätte der WW hatten die lange auf das Betätigungsfeld Zierde und Dekor reduzierten Frauen „plötzlich Gestaltungsfreiheiten und Experimentiermöglichkeiten“, so die Kuratorinnen, „ mit denen sie vielleicht selber gar nicht gerechnet hatten.“

Die künstlerische Freiheit fand am Ende nur Grenzen in der wirtschaftlichen Machbarkeit. So entstanden Produkte, deren Herstellungskosten oft in keinem rentablen Verhältnis zu den Verkaufsmöglichkeiten standen. Ein Problem, das der WW 1932 den Bankrott brachte.

www.mak.at

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