Die Grande Dame teilt nochmals aus

Maria Lassnig 2008 im Atelier vor dem Bild "To love or not to love" (1964-'65/2008), fotografiert von Sepp Dreissinger (Ausschnitt)
Fotograf Sepp Dreissinger zollt der Malerin Maria Lassnig mit einem außergewöhnlichen Buch Tribut.

Sie hat bis zum Schluss nicht geglaubt, dass sie eine Weltkünstlerin ist“, sagt der Fotograf Sepp Dreissinger.
Obwohl die Malerin Maria Lassnig gegen Ende ihres Lebens mit Auszeichnungen und internationalen Ausstellungen gewürdigt wurde, blieb sie eine zweifelnde, verschlossene Person. Dreissinger, der die Künstlerin seit 1988 kannte und zuletzt häufig betreute, wusste selbst lange nichts über ihre Bekanntschaften – etwa mit André Heller oder dem Schweizer Star-Kurator Hans-Ulrich Obrist.

Das Buch „Maria Lassnig – Gespräche & Fotos“, das Dreissinger nun veröffentlichte, zollt der schwer fassbaren, vielgesichtigen Persönlichkeit der im Mai 2014 verstorbenen Künstlerin auf außergewöhnliche Weise Tribut.

Einerseits dient das Buch zweifellos dem Nachruhm der großen Malerin. Es erzählt von der unglaublichen Akribie, mit der sie ihre Ideen verfolgte, und zeigt sie in selbst gewählten Inszenierungen: 2009, kurz bevor der Autor dieses Artikels Lassnig anlässlich ihres 90. Geburtstags in ihrem Kärntner Atelier besuchte, posierte sie für Dreissinger etwa mit einer Rose auf der Brust, „aufgebahrt“ wie eine Verstorbene.

Dreissinger war dennoch nicht gewillt, Lassnig für die Nachwelt bloß einzubalsamieren: In den Bildern und in Statements von Vertrauten kommt auch die schlichte, herzliche Lassnig zum Vorschein – die zierliche Dame, die gern Kuchen aufwartete und sich um die Tiere sorgte, die im Zoo oder im Wald neben dem Atelier im Kärntner Metnitztal hausten.

Hart und herzlich

Die Grande Dame teilt nochmals aus
Sepp Dreissinger
Doch Lassnig konnte auch hart sein. Dass sie nur dem 2013 verstorbenen Kunsttheoretiker Heimo Kuchling zugestand, ihre Bilder zu beurteilen, erfuhr Dreissinger eher durch Zufall. In den von ihm geführten Interviews teilte die Künstlerin tüchtig aus – „Der New Yorker Galerist, Friedrich Petzel, (...) redet halt zu viel“, sagt sie da, oder: „Ich bin überhaupt nicht neugierig auf den Essl (Sammler und bauMax-Gründer, Anm.)“. Auf ihre Wiener Galeristin zeigte sie sich 2001 „eifersüchtig, weil sie für den Arnulf Rainer alles macht und für mich sehr wenig“. Mit Rainer war Lassnig um 1950 einige Jahre liiert, auch er kommt im Buch zu Wort.

Das Netzwerken, das Rainer früh und Lassnig nie recht beherrschte, übernehmen nun eine Stiftung und prominente Fürsprecher für die Malerin: Ihr Nachruhm ist im Wachsen begriffen. Dreissingers Buch wird aber nicht nur als Quellenmaterial für künftige Kunsthistoriker wichtig sein: Die Unmittelbarkeit, mit der hier ein Zugang zur Kunst und dem Menschen dahinter gelegt wird, fesselt einfach.

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Sepp Dreissinger
Das Buch „Maria Lassnig: Gespräche & Fotos“ ist im Album Verlagerschienen (240 Seiten, 46 Euro). Es enthält u.a. Langfassungen von Interviews, die auch in das langfristige Filmprojekt Maria Lassnig: Es ist die Kunst, jaja..." von Sepp Dreissinger und Heike Schäfer einflossen. Der 50-minütige Film wird am Samstag, 10. Oktober, im ORF-Radiokulturhauspräsentiert (19.30 Uhr). Am 26. Oktober läuft erim Fernsehen(ORF III, 17 Uhr).

Sepp Dreissinger (*1946) fühlt sich, wie er sagt, von großen Künstlerpersönlichkeiten angezogen. Einige seiner Porträts – etwa von Thomas Bernhard oder Friedrich Gulda – haben heute schon Ikonen-Status. Auf der Kunstmesse Viennafair, die am 7.10. abends eröffnet (Laufzeit bis 11. 10.), bietet Simon Weber-Unger Originalabzüge von Dreissingers Fotos an.

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