Die Böhmermann-Firma drehte für Netflix: Kreativ mit Drogen
Gut, Jan Böhmermann mag einer der lustigsten Fernsehmacher Deutschlands sein.
Aber wer steht hinter dem polarisierenden Comedian? Der KURIER traf einen der beiden Chefs seiner Kölner Produktionsfirma, bildundtonfabrik, zum Gespräch: Philipp Käßbohrer.
Er leitet gemeinsam mit Matthias Murmann die Geschicke der Kreativschmiede, holte für diese in Wien gerade eine weitere ROMY ab (für „Prism is a Dancer“) und blickte dabei spannungsvoll in die nahe Zukunft.
Die bildundtonfabrik drehte nämlich die erst dritte deutsche Netflix-Produktion „How To Sell Drugs Online (Fast)“, die ab 31. Mai zu sehen ist.
Die Produktionsfirma startete 2007 als Studentenprojekt mit Musikvideos. Mit der Talkshow „Roche und Böhmermann“ (2012 und 2013) gelang der Einstieg in das – einigermaßen – seriöse Fernsehgeschäft. Danach produzierte die bildundtonfabrik das „Neo Magazin“ mit Jan Böhmermann.
Ein Gespräch über die deutsche Fernsehbranche, die Zusammenarbeit mit Netflix und die unbeantwortete Frage, wie Böhmermann eigentlich wirklich tickt.
KURIER: Warum ist das fiktionale deutsche Fernsehen eigentlich so bieder?
Philipp Käßbohrer: Ich glaube der Grund ist, dass Deutschland das Pech hat, dass seine Bevölkerung gerade groß genug ist, ein eigener Markt sein zu können. Es gibt keinen Grund, über die Landesgrenzen hinaus zu schauen. Das lineare Fernsehen hat deshalb immer einen Wettstreit über das massentauglichste Programm geführt.
Man hat eigentlich ständig das Gefühl, eine weitere Episode des „Tatort“ zu sehen.
Ja. Denn es ging immer darum, von den 80 Millionen Deutschen möglichst viele zu einem Fernsehmoment zu versammeln. Das ist ja jetzt auch die große Revolution, die in Deutschland ankommt: Da werden Erzählweisen gewählt, die ein bisschen sperriger sind, für spezielles Publikum. Die Dinge, die wir für interessant halten, sind in Wahrheit immer eine Art Genreproduktion für ein spezifisches Publikum.
Sie drehten für Netflix die Serie „How To Sell Drugs Online (Fast)“, die am 31. Mai online geht. Wie wird sie?
Wild! Wir beschäftigen uns mit der Generation Z, also mit Jugendlichen, die im Jahr 2019 erst siebzehn sind und völlig anderen Medienkonsum gewohnt sind als wir. Sie spielt mit allen Formen, die einem begegnen können, wenn man auf Social Media kommuniziert, sie nutzt die gesamten Tools: Sprachnachrichten, Textnachrichten, aber auch Games.
Die Serie ist inspiriert von einer wahren Geschichte, die in Leipzig passiert ist. Ein Jugendlicher betrieb aus dem Kinderzimmer einen millionenschweren Onlinedrogenhandel.
Es gab dort einen jungen Mann, der sich im Internet „Shiny Flakes“ genannt hat und der mit 19 einen Drogenversand aufgebaut hat. Wir waren bei der Recherche vor allem davon fasziniert, dass das so funktioniert hat wie Amazon. Wir fanden die Drogen gar nicht so interessant, sondern, dass jemand diese Branche nimmt und das in einen gepflegten Onlinestore packt. Man konnte Kundenbewertungen abgeben und wenn man etwas in den „Warenkorb“ legte, hat man eine Empfehlung bekommen: „Kunden, die das Produkt kauften, kauften auch …“ Wir hatten Lust, aus dieser Fallhöhe etwas zu machen: Hier der Start-up-Gedanke und dort ein Geschäft, das wahnsinnig gefährlich und verboten ist.
Ist die Staffel eine abgeschlossene Geschichte, oder könnte daraus eine Art deutsches „Breaking Bad“ werden? Es ist alles sehr figurengetrieben. Man könnte auch weitermachen. Ich glaube nicht, dass in unserer Gegend irgendjemand so viele Staffeln macht wie „Breaking Bad“, aber wir haben natürlich große Lust, das weiterzuerzählen.
Wie fühlt man sich als Serienschöpfer, wenn Netflix auf den Knopf drückt – und die eigene Produktion ist auf der ganzen Welt abrufbar?
Das ist natürlich eine wahnsinnig spannende Vorstellung: 189 Länder … Man fühlt sich fast wie ein Markenbotschafter, um der Welt die Angst davor zu nehmen, was bei den Deutschen am meisten gefürchtet wird: nämlich ihr Humor (grinst).
Netflix will vermehrt in nationalen Märkten wie Deutschland produzieren, damit aber internationale Erfolge einfahren. Bewirkt das eine Öffnung der vorher beschriebenen handwerklichen Enge im Fernsehen?
Netflix ist in 139 Millionen Haushalten vertreten. Es ist der absolute Kracher, dass man theoretisch so viele Leute erreichen kann. Wenn man eine kritische Masse von denen erreicht, hat man eben ein sehr erfolgreiches Produkt aus der Nische.
Sie haben die Serie selbst mitgeschrieben. Im amerikanischen System sind Drehbuchautoren mittlerweile zu Showrunnern aufgerückt, die große Teams koordinieren. Was ist in Deutschland dahingehend anders?
Der große Unterschied zum internationalen Schreiben ist, dass auch an deutschen Filmschulen alles immer auf ein Autorenfilmmodell hinausläuft und damit auf Einzelkämpfer. Darüber hinaus gibt es nicht wirklich fließende Übergänge zwischen Regie und Produktion. Da ist das amerikanische System viel breiter aufgestellt. Da ist für uns natürlich ein Vorteil gewesen, dass wir für das „Neo Magazin“ seit fünf Jahren in einem Writers Room sitzen, der immer größer wird. Wir kennen eigentlich auch keine andere Art zu arbeiten.
„How To Sell Drugs Online (Fast)“ war die erste Fernsehserie der bildundtonfabrik. Wie war es, mit Netflix zu arbeiten?
Wir haben einen Vertrag unterschrieben, wonach wir nicht schlecht drüber sprechen dürfen. Deshalb: „Sehr gut.“ (lacht) Netflix hat sehr gute Leute eingekauft, die auf der anderen Seite sitzen und einen entsprechend herausfordern. Das ist schon vor allen Dingen deswegen spannend, weil man das Gefühl hatte, man arbeitet mit jemandem zusammen, der ein großes Interesse daran hat, dass es international funktioniert und nicht nur im deutschsprachigen Raum.
Kommen wir zu Jan Böhmermann. Wie ist die Zusammenarbeit mit ihm?
Fantastisch. Letztlich haben wir eine langjährige geschwisterliche Beziehung in der Firma. Wir machen das alle miteinander und wir können gar nicht mehr ohne einander.
Er hat sich geschickt das Image des Rätselhaften gebaut. Wie tickt er eigentlich wirklich?
Da müssen Sie ihn selber fragen (lacht).
Kommentare