Der Wert der Kunst, sagt der britische Bildhauer Antony Gormley, bemisst sich im Umgang mit ihr: Stellt ein Objekt auch noch Jahre nach seiner Herstellung Fragen, oder wird es irgendwann stumm?
Es ist auch dieser Wert, über den am Kunstmarkt kontinuierlich verhandelt wird. Der Geldwert drückt idealerweise den Wunsch aus, sich den Fragen der Dinge zu stellen.
Nicht nur Gormley, der bis 20. 5. in der Salzburger Galerie Ropac ausstellt – ein ausführliches Gespräch lesen Sie demnächst im KURIER – ist mit der Dringlichkeit von Kunstwerken befasst, sondern auch die vielen Händler, die noch bis 10. April bei der „Art & Antique“ Messe Werke anbieten. Die Ballung ist von Bedeutung, weil sie fokusmäßig mit dem österreichischen Kunstbestand befasst ist. Und sie übersteigt den Rahmen des bloßen Marktplatzes, weil hier immer wieder Zeitkapseln geöffnet und ungewohnte Dinge daraus in den Wettstreit mit Bewährtem geschickt werden.
Leinwand-Epos
Was etwa hat uns das enorme dreiteilige Bild zu sagen, das Susanne Bauer um 350.000 Euro anbietet? Es stammt von Hermann Vincenz Heller, der an der Wiener Akademie Anatomiezeichnen lehrte und Egon Schiele zu seinen Schülern zählte (er bekam ein „Genügend“). Die Darstellung – Herkules muss sich zwischen Tugend und Laster entscheiden – ist eine Antwort auf den Mega-Schinken „Das Urteil des Paris“ von Max Klinger (heute im Belvedere) mit umgekehrten Gender-Vorzeichen, ein Superhelden-Leinwandepos aus der Zeit um 1900.
Unter der Lehrer-Schüler-Perspektive ließen sich heute auch Werke von Karl Sterrer betrachten – bei Wienerroither & Kohlbacher findet sich ein Wolkenbild dieses Malers mit einem Werk seines Schülers Max Weiler und kombiniert. Die Superhelden-Ästhetik findet sich wiederum bei Alexander Rothaug fortgeschrieben, der den Stil der Secession mit schwülstigen Muskelprotz-Figuren kurzschloss. Beide Künstler sind wegen der Auflösungen von Privatsammlungen derzeit wieder verstärkt am Markt zu finden – auf der Messe bietet etwa Florian Kolhammer Rothaug an.
Kolhammers eigentliches Kleinod aber ist das Bild eines Apfelbaums, das der Künstler Karl Mediz 1914 am Zürichsee malte – „eines seiner besten Bilder“, wie der Händler beteuert und auch mit dem Preis (175.000 €) zum Ausdruck bringt.
Im Gegensatz zur Offenheit, mit der etwa Klimt Apfelbäume malte, arbeitete Mediz mit extremer Akribie: Er steht damit für einen der vielen Nebenpfade der Moderne, die zuletzt die „Hagenbund“-Schau des Leopold Museums erforschte. Das Echo dieser Feinmalerei-Ästhetik bildet auf der Messe das Landschaftsbild „Donauschleife bei Passau“ des Oberösterreichers Rudolf Pühringer, das der Kunsthandel Hieke um 65.000 Euro anbietet.
Rund um die Messe
Im Umfeld der Messe sei noch auf zwei Galerieausstellungen hingewiesen, die dem Kanon neue Facetten abgewinnen. Die Galerie Thomas Salis am Mozartplatz zeigt neben dem „Jahresregenten“ Picasso und anderen Kleinoden der Moderne Werke der US-Amerikanerin Louise Nevelson. Diese übertrug das Prinzip der Collage in die Dreidimensionalität – ein Umstand, der 2022 im Rahmen der Venedig-Biennale breite Würdigung erfuhr.
Die Galerie Welz schließlich zeigt noch bis 19. 4. großartige neue Bilder des Malers Peter Krawagna, der in Sachen breiter Würdigung auch noch nicht dort ist, wo er sein sollte. Seine oft nur angedeuteten, aber enorm präzisen Farbaufträge und Markierungen strahlen eine unglaubliche Gelassenheit, ja Weisheit aus; mit ihrer Stimmigkeit scheinen Krawagnas Bilder Fragen nach der Zeitgemäßheit wie auch die Welt als solche stets ein bisschen auf Distanz zu halten.
In Sachen Marktwert liegt Krawagna bei einem Zehntel dessen, was die in Teilen vergleichbare Martha Jungwirth – auch durch Zutun des Salzburger Galeristen Thaddaeus Ropac – heute „wert“ ist. Doch ein Held kann auch der sein, der keinem etwas beweisen muss.
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