Manchmal spricht ein Bild Bände

Hochgestapelt: Kunstbücher, die über den Standard-Mix aus Abbildungen und Aufsätzen hinauswachsen
Mehr als nur Dekoration für den Couchtisch: Diese Publikationen haben 2015 beeindruckt

Kunstbücher sind oft unbedankte Zwischenwesen: Häufig erscheinen sie als Kataloge zu Ausstellungen, sie sollen im Museumsshop Geld lukrieren und gleichzeitig das wissenschaftliche Renommee des Museums und der Autoren mehren. Das hat zur Folge, dass ein Nicht-Fachpublikum sie kaum liest.

Andere Werke erscheinen als „Coffeetable-Books“, was entweder bedeutet, dass ihr Preis mit jenem eines Möbelstücks vergleichbar ist, oder dass die Verleger sich von vornhinein mit der Substanzlosigkeit ihres Produkts abgefunden haben und dieses als Deko-Material verkaufen.

Dann gibt es noch Kunstbücher, die alles sind: Schön, unterhaltsam, klug, lesenswert. Am Ende des Kunstjahres 2015 können KURIER-Redakteure (Auswahl: Michael Huber, Werner Rosenberger, Thomas Trenkler) folgende Bände empfehlen:

Über Skulptur Der britische Bildhauer Anthony Gormley, in Österreich u. a. für sein Projekt „Horizon Field“ in den Vorarlberger Bergen bekannt, beschreibt in diesem schönen Band seine künstlerische Entwicklung, seine Einflüsse und Denkweisen. Auf Doppelseiten sind Bilder stets mit kurzen, klaren Texten gepaart, bei jedem Aufschlagen ergeben sich neue Einsichten über das Wesen der Skulptur an sich, die Werke Gormleys im Speziellen und über die neuesten Ausformungen skulpturaler Kunst. (Sieveking Verlag, 240 Seiten, 41,10 €)

Maria Lassnig Der Fotograf und Autor Sepp Dreissinger ist Spezialist für komplexe Künstlerpersönlichkeiten – die Malerin Maria Lassnig begleitete er von den 1980er-Jahren bis zu ihrem Tod im Mai 2014. Im Buch „Maria Lassnig – Gespräche und Fotos“ kommen neben der Künstlerin selbst etliche Weggefährten, Nachbarn und Kenner zu Wort. Dabei wird nicht bloß Heiligsprechung betrieben: Die genialen Seiten Lassnigs kommen in diesem umfassenden, persönlichen Porträt ebenso zur Geltung wie ihre Schrullen. (Album Verlag, 240 Seiten, 46 €)

Hermann Nitsch „Das Gesamtkunstwerk des Orgien-Mysterien-Theaters“ setzt dem Werk des Wiener Aktionisten ein voluminöses Denkmal in Buchform: Michael Karrer, Direktor der „Nitsch Foundation“, destillierte aus dem jahrzehntelangen Schaffen Nitschs in Bild, Ton und Wort ein massives Überblickswerk aus Aktionsfotos, Manifesten, Partituren, Interviews und Essays. Mehr Nitsch geht nicht. (Verlag der Buchhandlung Walther König, 968 Seiten, 70 Euro).

Fast ein ganzes Leben Bei aller Literatur, die zu Egon Schiele verfasst wurde, erfährt man relativ wenig über das direkte Umfeld des Künstlers und dessen Auswirkungen. Christian Bauer holt Schiele in seinem Band zurück nach Niederösterreich, nach Tulln, Neulengbach, Krems und Klosterneuburg. Dabei entsteht ein lebendiges Epochenporträt – nicht nur für Kunstkenner, sondern auch für jene, die heute in dieser Gegend leben. (Hirmer Verlag, 306 Seiten, 39,90 Euro).

Malpractice Der umtriebige Wiener Künstler TOMAK bietet in dieser Publikation einen Überblick über sein – ausgesprochen umfangreiches – Schaffen der vergangenen drei Jahre: Bekannt geworden als Schöpfer extrem detailreicher und oft abgründiger Zeichnungen, öffnete sich der Künstler in dieser Zeit hin zur Malerei, zu Installationen, Collagen und Skulpturen. Der Werkkatalog – wiewohl zweifelsfrei auch als „Imagebroschüre“ für den Künstler gedacht – ist äußerst ansprechend gestaltet und gibt Fans der unheimlich-komplexen Bilderwelten einen guten Überblick. (Verlag für Moderne Kunst, 250 Seiten, 38 Euro).

A Work Of Imagination Die US-Künstlerin Vija Celmins inspiriert mit ihrer unglaublich sorgfältigen, beharrlichen Arbeitsweise nicht nur Künstler und Künstlerinnen. Das Buch, das anlässlich der Ausstellung von Celmins’ Druckgrafiken in der Wiener Secession (bis 31.1.) erschien, kommt ganz ohne Kuratorentexte aus und stellt den Werken der Künstlerinnen bloß Sätze aus ihren Tagebüchern gegenüber: „Ich hoffe, meine Arbeit sagt Dinge, die ich nicht sagen kann.“ (Revolver Verlag, 208 Seiten, 49 €, erhältlich via secession.at)

Vermeer Karl Schütz, bis 2011 Direktor der Gemäldegalerie des Kunsthistorischen Museums (KHM) und großer Kenner der niederländischen Malerei, hat einen Prachtband zu einem der faszinierendsten Künstler herausgegeben: Das Werk des Johannes Vermeer (1632– 1675) ist zwar überschaubar, birgt aber viele Rätsel und stellt höchste Virtuosität zur Schau. Der Band „Vermeer – Das vollständige Werk“ trägt dem Rechnung, indem er zahlreiche Bilder in akkuraten Detailaufnahmen wiedergibt. Werkverzeichnis, Quellenkatalog und fundierte Aufsätze erfüllen dazu alle Anforderungen der Wissenschaft. (Taschen Verlag, 258 Seiten, 99,99 €)

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