Als „religiös-philosophischer Begriff für den günstigen Zeitpunkt einer Entscheidung“ bezeichnet das Lexikon das Wort „Kairos“. Für den in Wien ansässigen Baseler Musiker und Sänger David Howald war es der ideale Titel für das kommenden Freitag erscheinende Debütalbum seiner neuen Band Werckmeister.
„Nach den griechischen Titanen Chronos und Kairos wurden zwei unterschiedliche Zeitkonzepte benannt“, erklärt Howald im Interview mit dem KURIER „Chronos steht dabei für die chronologisch verkettete Zeit. Und Kairos für die fluide Zeit, für den Moment, der die Gelegenheit zum Handeln und zur Abzweigung bietet, durch die dein Leben ganz anders verläuft. Wie Letzteres sehe ich meine Texte. Meine Geschichten sind etwas Fluides, das von mehreren Seiten offen und lebendig ist.“
Howald und die Kollegen von Werckmeister kleiden diese poetisch formulierten, manchmal kryptischen Geschichten in Kompositionen, die von Howalds Vorbild David Bowie genauso beeinflusst sind, wie von melancholischen Klavierballaden, dem Sound der Einstürzenden Neubauten und Industrial-Klängen. Mal ist das Ergebnis aufwühlend, mal verträumt und schmeichelnd. Gerne spielt Howard mit dem Kontrast von süßen Klängen und düsteren Worten, oder dystopischen Arrangements und witzigen Texten.
Gegründet hat Howald, der als Kind Marimbaphon gelernt und „Eine kleine Nachtmusik“ von Mozart darauf gespielt hat, seine neue Band, als er für sein voriges Solo-Album ein Release-Konzert spielen wollte. „Ich hatte schon in Basel meine erste Band gehabt, bin dann als Solist in dieses Singer/Songwriter-Ding reingerutscht, habe mich aber selbst nie so gesehen. Für das Konzert brauchte ich eine Band und habe gemerkt, dass ich dieses Kollektive und auch die Überraschungsmomente, die eine Band liefert, sehr vermisst habe.“
Von Anfang an wusste Howald, der schon in der Schule das Schreiben von Aufsätzen liebte, dass es bei Werckmeister nur deutsche Texte sein dürfen. „Als Jugendlicher habe ich bei einem Flimwettbewerb mitgemacht, der sich um das Thema, ,Die Blume des Bösen‘ drehte. Dafür habe ich mir das Buch von Charles Baudelaire geholt und bin voll drauf hängen geblieben. Antonin Artaud hat mich aber genauso fasziniert. Der war während des Zweiten Weltkrieges im Irrenhaus und hat Dinge geschrieben, die man sonst nirgendwo lesen kann – schrecklich und dunkel, aber auch mit strahlend hellen Momenten. Die beiden haben mich beim Schreiben der Texte sehr inspiriert.“
Weil Howald aber findet, dass „Düsternis und Schwere allein auch am Leben vorbei gehen“, packt er mit Ironie und Distanz zum Selbst Leichtigkeit in die Werckmeister-Songs. Zum Beispiel bei dem Track „Nektar“, der von Panikattacken handelt, die Howald früher hatte. Auch bei „Die Träufler“ über hinterlistig nach seinen Vermögensverhältnissen fragende Bekannte, die ihm seine Freiheit neiden. Oder bei „Tyrannus“, das von der Angst handelt, „etwas geworden zu sein, was man nie werden wollte“.
All das, sagt Howald, erschließt sich dem Hörer aber am besten live. Das „Kairos“-Release-Konzert im Wiener Club dasWerk mussten Werckmeister zwar aufgrund der Pandemie auf 18. März verschieben. Aber Howald ist zuversichtlich, dass es dann klappt. Da will der Künstler, der bis zu seinem 19. Lebensjahr nur gemalt und erst dann „mit acrylverschmierten Fingern“ entdeckt hat, dass ihm das Musikmachen extrem leicht fällt, eine gebührende Show auf die Bühne bringen. „Unser Musik ist sehr speziell und rituell. Dafür brauchen wir ein visuelles Gewand.“
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