Die Band Glass Animals erlebte das kleine Wunder von Dublin

Die Band Glass Animals erlebte das kleine Wunder von Dublin
Sänger Dave Bayley spricht im KURIER-Interview über den verheerenden Unfall und die Regeneration seines Drummers

Eine Chance von nur fünf Prozent gab Glass-Animals-Sänger Dave Bayley seinem Schulfreund und Drummer Joe Seaward Mitte 2018, dass der je wieder auf Tour gehen kann. Damals wurde Seaward in Dublin von einem Lastwagen angefahren, als er mit dem Rad unterwegs war, erlitt schwere Kopfverletzungen und war monatelang im Spital.

Doch das, was die Ärzte damals als kleines Wunder bezeichneten, wurde wahr. Seaward, der anfangs nicht sprechen, nicht gehen und schon gar nicht Schlagzeugspielen konnte, erholte sich ganz. Er spielte mit Glass Animals das Freitag erscheinende Psychedelic-Pop-Album „Dreamland“ ein, und war bis zum Lockdown auch wieder auf US-Tour.

„Bei den ersten Shows haben wir uns dauernd angegrinst, weil es so toll war, dass wir das wieder gemeinsam machen konnten“, erzählt Bayley im KURIER-Interview. „Ich glaube, wenn er sich nicht erholt hätte, hätte ich nicht mit Glass Animals weiter gemacht. Dazu ist er ein viel zu guter Freund.“

Dass Seaward sich ganz erholt hat, hat er auch Bayley zu verdanken. Der Glass-Animals-Songwriter hatte vor seiner Musiker-Karriere Medizin studiert und sich dabei auf Neurologie spezialisiert. Er half Seaward dabei, wieder sprechen, gehen und die Drums spielen zu lernen.

Die Band Glass Animals erlebte das kleine Wunder von Dublin

„Mein Studium hat dabei vielleicht ein bisschen geholfen“, sagt Bayley. „Aber für mich war es furchterregend, weil ich eben genau wusste, was solche Verletzungen bedeuten. Ich wusste zwar, dass er überleben wird, als ich im Spital ankam. Denn da war er schon zwölf Stunden dort gewesen. Aber ich wusste auch, dass es eine 95 Prozent-Chance gab, dass er bleibende Schäden haben wird. Dass dem nicht so ist, ist vor allem seinem Willen, sich voll zu regenerieren, zu verdanken.“

Bayley fungierte im Spital als Kontaktmann zwischen den Ärzten und Sewards Eltern, vermittelte ihnen die Fakten so einfühlsam, dass statt Panik der nächste Schritt zur Besserung im Vordergrund stand.

„Ansonsten war ich einfach für Joe da. Denn der Zuspruch, nicht aufzugeben, auch wenn die Reha extrem mühsam ist, ist sehr wichtig.“

Als Seaward aus dem künstlichen Koma geholt wurde, hatte er keine Gedächtnislücken, konnte aber nicht kommunizieren. „Wir haben versucht, SMS zu schreiben, aber das ging anfangs auch nicht. Er war in seinem Körper gefangen. Das war so frustrierend für ihn. Und als er langsam wieder sprechen und gehen lernte, war das für ihn extrem anstrengend. Als Gesunder machst du das einfach, ohne darüber nachzudenken. Er musste aber erst wieder lernen, darüber nachdenken, welche Muskeln dafür eingesetzt werden, so wie man das oft bei Babys sieht. Das war die schwierigste Zeit.“

Die Band Glass Animals erlebte das kleine Wunder von Dublin

Aber diese Zeit hat Bayley auch einen neuen Ansatz für seine Texte gegeben. Denn für „Dreamland“ schrieb er das erste Mal persönliche Texte, die er sich als „unsicherer, schüchterner Typ“ davor nie zugetraut hätte.

„Wenn du so lange im Spital rumsitzt, wo so eine trostlose, angsteinflößende Atmosphäre herrscht, beginnst du, über dich selbst nachzudenken. Dann kommen viele Erinnerungen hoch, die du davor unter den Teppich gekehrt hast, weil du mit deinem Alltag zu beschäftigt warst.“

So ist der Titelsong „Dreamland“ eine Reminiszenz an Bayleys Lehrer, der ihm immer sagte: „Dave, du bist schon wieder im Land der Träume.“ „Your Love (Déjà Vu)“ geht auf eine toxische Beziehung ein. Und „Domestic Bliss“ handelt von seiner frühesten Erinnerung.

„Als ich sieben Jahre alt war, wurde ich oft von der Mutter meines Freundes von der Schule abgeholt. Bei ihnen angekommen, ging sie rein, während wir Kinder im Garten blieben und spielten. Wir hörten von drinnen lautes Streiten, verstanden aber nicht, was vorging, weil wir noch zu jung waren. Als sie wieder rauskam, um mich heimzufahren, war ihr Gesicht blutig. Sie tat aber, als wäre nichts gewesen.“

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