Wirklich verwunderlich ist dieser Zuspruch nicht. Die Drei haben seit vielen Jahren den Ruf, eine stets höchst unterhaltsame Live-Band zu sein. Sie haben sich mit schnörkellosem Rocksound, häufig absurden Reimen, pointierten Texten mit überraschenden Wendungen, die aber auch Haltung beweisen, ihre eigene Nische geschaffen. Damit werden die Fans von Beginn an bestens bedient: „Geld“, „Mein Baby war beim Frisör“ und „Quark“ machen gut Stimmung, wo bei sich die Drei beim Singen der Leadstimme abwechseln. Dazu gibt es das schon traditionelle, genauso scherzhaft gemeinte wie ausführliche Geplänkel der Musiker zwischen den Songs - wenn etwa Farin Urlaub sich wieder (eher schlecht als recht) im Wienerisch reden übt, und Bela B konstatiert, dass ihn das nervt.
Was in dieser Anfangsphase der Show nicht gut passt, ist das Zusammenspiel. Denn das Programm ist ganz anders, als noch beim Frequency, sie hatten nur fünf Tage Zeit, es einzustudieren, die aber - wie Urlaub auch zugibt - nicht gut genug genützt. Bemerkbar macht sich das bei selten oder lange nicht mehr gespielten Songs wie „Noise“ und „Achtung: Bielefeld“ vom Album „Hell“ von 2020, bei „Einschlag“ von dessen Nachfolger „Dunkel“, das Die Ärzte hier überhaupt das aller erste Mal live spielen, oder bei „Die Banane“ aus dem Jahr 1995. Da klingen sie längst nicht so kompakt im Zusammenspiel, wie man sie kennt, greifen auch mal kurz daneben und sind alles andere als textsicher. Was die Stimmung in dieser Phase auch noch leicht trübt, sind die Herbsttemperaturen und der kühle Wind, der auch noch von beständigem Regengetröpfel begleitet wird.
Das ändert sich aber nach eineinhalb Stunden mit den Fanfavoriten „Unrockbar“ und „Doof“ und einem Intermezzo, bei dem Die Ärzte eine Hälfte des Publikums einen Hit von Scooter, die andere das markante Gitarrenriff von „Seven Nation Army“ singen lassen - gleichzeitig versteht sich. Und dieser Anstieg im Stimmungspegel kommt auch nicht zu spät. Denn - und auch dafür sind die Ärzte berühmt - wo andere Schluss machen, fangen sie erst richtig an. In den Zugaben legen sie noch einmal 13 Songs drauf, darunter das Farin-Urlaub-Solo „Leben vor dem Tod (ebenfalls noch nie zuvor live gespielt) und die Hits „Deine Schuld“, „Schrei nach Liebe“ und „Geschwisterliebe“, das ausschließlich vom Publikum gesungen wird.
Es wäre schon schöner gewesen, wenn sie die fünf Probentage besser genützt hätten, um die ausgefallenen Songs der Setlist ebenso geschmeidig draufzuhaben, wie die öfter gespielten. Aber durch das Durchhaltevermögen der Ärzte (drei Stunden Spielzeit und 40 Songs) steigerte sich die Stimmung am Ende doch noch auf das gewohnte Level. Unzufrieden ging keiner heim.
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