Diana Krall: "Traurige Songs machen mich glücklich"

Aktuell inszeniert sich Diana Krall als Popdiva mit Evergreens wie „California Dreamin'“, „Alone Again“ oder „Desperado“
Die erfolgreichste Jazz-Sängerin und Pianistin der letzten Jahre singt auf "Wallflower" die Hits, die in ihrer Jugend die Charts dominierten.

Für den Wunsch, erfolgreich zu sein, muss man sich nicht genieren", sagt Diana Krall im Hotel George V. in Paris am Tag nach der ersten Live-Präsentation ihres neuen Albums "Wallflower" (Verve/Universal) im "Yoyo" im Palais de Tokyo.

Die erfolgreichste Jazz-Sängerin und Pianistin der letzten Jahre, mit bisher mehr als 20 Millionen verkauften Tonträgern, hat diesmal ein Dutzend Pop-Songs als maximal gehörgängiges Easy Listening aufgenommen: "Ich wollte tun, was mir gerade Spaß macht." Und das sei "definitiv nicht als Abschied vom Jazz zu verstehen", sondern bloß eine musikalische Reise zu ihren Teenager-Jahren. Das "Abenteuer" und ihr Flirt mit dem Kuschelpop wird sie auf Welttournee am 21. Oktober auch live in die Wiener Stadthalle, Halle F, bringen.

Gefühlige Pop-Balladen

So schmückt sie sich diesmal mit Cover-Versionen von Klassikern wie "Superstar" von den Carpenters, "I Can’t Tell You Why" und "Desperado" von den Eagles, dem zum Titelsong erklärten eher unbekannten Bob-Dylan-Poem "Wallflower", "California Dreamin’" von The Mamas & The Papas, den 10cc- Oldie, Elton Johns Edelschnulze "Sorry Seems To Be The Hardest Word", "Feels Like Home" von Bryan Adams. u. a. Außerdem mit einem Song von Paul McCartney, den dieser selbst nie aufgenommen hat: "If I Take You Home Tonight".

Und sie "will sich gar nicht verteidigen", sagt die Krall. "Ich stehe zu allem, was ich bisher gemacht habe – mit einer einzigen Ausnahme: ,Popsicle Toes‘." Außerdem hätten auch Hard-Core-Jazz-Musiker wie "Miles Davis etwa mit ,Tutu‘ immer wieder Experimente in Gefilde außerhalb des Jazz gewagt".

Introvertiert cool

Für die Krall, Jahrgang 1964, sind die Songs auf "Wallflower" jedenfalls "von zeitloser Schönheit, die mich und andere in meinem Alter bis heute begeistern".

Dass die im Tempo durchwegs stark gedrosselten Nummern wie Gilbert O’Sullivans "Alone Again" oder Randy Newmans "Feels Like Home" mit der lasziv-herb-kühlen Stimme der Krall überwiegend wie Nachtschattengewächse klingen, passend zu den vielen Grablichtern auf der Bühne in Paris, und einen hinterher zu einem Friedhofspaziergang motivieren, wischt die Kanadierin, die sich im Selbstverständnis wie "eine Figur von Woody Allen" vorkommt, vom Tisch: "Mich machen traurige Lieder glücklich."

"Ich bin eine Pianistin, die auch singt", sagte sie einmal. Und das gilt angeblich auch heute noch. Da ist es allerdings erstaunlich, dass die Krall bei den Aufnahmen zu "Wallflower" Piano und Keyboard bis auf eine einzige Ausnahme – Dylans dahinwalzernde Titelnummer "Wallflower" – David Foster überlassen hat, dem Star-Produzenten, der schon mit Celine Dion, Whitney Houston, Michael Bublé und Barbra Streisand gearbeitet hat, und Boss des Plattenlabels Verve in einer Person. Ehemann Elvis Costello, zuletzt auf Solo-Tournee im Oktober auch in Österreich, war an dieser Produktion nicht beteiligt.

"Er hat uns nur ein, zwei Mal im Studio besucht", sagt Foster. Und schreibt Diana Krall auch wieder eigenes Material wie zum Teil für "The Girl in the Other Room" (2004)? "Nein", kommt eine klare Absage mit heftigem Kopfschütteln. "Ich werde auch keine Lieder mehr schreiben. Da gibt es viel bessere Songwriter. Ich konzentriere mich lieber auf das Singen."

Seit fast einem Vierteljahrhundert ist sie im Geschäft. Am Anfang ihrer Karriere spielte die mehrfache Grammy-Gewinnerin und Ehefrau von Elvis Costello vor allem klassischen Quartett-Jazz, zuletzt widmete sie sich auf "Quiet Nights" (2009) dem Brazil-Jazz und lieferte mit "Glad Rag Doll" (2012) eine Reminiszenz an den Ragtime der 20er- und 30er-Jahre.

Diana Krall: "Traurige Songs machen mich glücklich"
Diana Krall CD-COVER

"Wallflower" ist als Album mit Cover-Versionen von Pop-Songs der 60er- bis 80er-Jahre nicht gerade vergeigt, aber doch orchestral und mit Geigenschmalz so üppig ausgestattet, dass man irgendwann meint, Streicher zu hören, wo gar keine sind. Ein Soundtrack für Selbstmitleid oder Allerheiligen. Andachtsmusik, besinnlich bis zur Besinnungslosigkeit. Das Zuhören bei den ultimativ cool hingehauchten Geschichten von verlorener Liebe nährt akustisch die Erwartung, dass jetzt gleich einer mit Lebkuchen oder zumindest einer Zimtschnecke vorbeikommt. Zwei Duett-Partner aus ihrer Heimat Kanada sind auch dabei: Michael Bublé und Bryan Adams.

KURIER-Wertung:

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