Diagonale 2023 mit Preisverleihung an Margarethe Tiesel eröffnet

DIAGONALE FILMFESTIVAL: ERÖFFNUNG UND VERLEIHUNG DES "GROSSER DIAGONALE-SCHAUSPIELPREIS '23": TIESEL
Das scheidende Intendanten-Duo Schernhuber/Höglinger thematisierte die Spaltung der Gesellschaft.

Die 26. Diagonale ist am Dienstagabend in der Grazer Helmut-List-Halle mit der Verleihung des Großen Schauspielpreises an Margarethe Tiesel eröffnet worden. Gezeigt wurden der Spielfilm "Das Tier im Dschungel" von Patric Chiha und der Kurzfilm "NYC RGB" von Viktoria Schmid. Die Intendanten Sebastian Höglinger und Peter Schernhuber thematisierten in ihrer Eröffnungsrede auch die Spaltung der Gesellschaft: "Zweifel und Graustufen sind aus der Mode gekommen."

Die österreichische Filmlandschaft habe sich im letzten Jahr als "gesellschaftlicher Spiegel" zu erkennen gegeben, und zwar "als Mitte und nicht als das gern beschworene bessere Korrektiv", hieß es in Anspielung auf Probleme wie "(Macht)Missbrauch, #MeToo, mannigfache Unschuldsvermutungen und Beweisantritte". Man müsse darüber reden, "auch als Festival wie die Diagonale".

Es werde aber täglich bewusst, "wie unterschiedliche Generationen genauso aneinander vorbeireden wie Leute mit unterschiedlicher Sozialisierung, kulturellen Erfahrungen oder divergierenden Ansichten. Die Zeichensysteme, die wir nutzen, um uns zu unterhalten und zu kommunizieren, sind notgedrungen Moden und dem Lauf der Zeit unterworfen. Unsere Gegenwart wird zunehmend in Nischen verhandelt. Und jede Nische, so scheint es, kommuniziert mit eigenem Vokabular und Jargon." Das berge politischen Sprengstoff, denn Orientierungslosigkeit mache die Gesellschaft komplex.

DIAGONALE FILMFESTIVAL: ERÖFFNUNG UND VERLEIHUNG DES "GROSSER DIAGONALE-SCHAUSPIELPREIS '23": HÖGLINGER / TIESEL / SCHERNHUBER

Schernhuber, Tiesel, Höglinger

Es stelle sich die Frage, was wäre, "wenn die Rede von der 'Spaltung der Gesellschaft' also eigentlich Ausdruck zunehmender kommunikativer Unmündigkeit ist? Ein Hinweis, dass politischer Diskurs und der wertschätzende Austausch von Argumenten längst nicht mehr als bereichernd empfunden werden. Ein Hinweis, dass uns das Verhandeln von Widersprüchen als Essenz der Demokratie mehr und mehr abhandenkommt", so die Intendanten.

"Moralische Empörung ist zuwenig"

Es sei abzusehen, dass die Zivilgesellschaft in Zukunft wieder lauter die Stimme erheben werde. "Dabei wäre fatal, sollte es nicht gelingen, nachvollziehbar zu kommunizieren oder im Flottieren der Zeichen an die Übersetzung zu denken: in der eigenen Branche, im Freundeskreis, in der Lokal- und Bundespolitik. Moralische Empörung ist zu wenig. Ansonsten entsteht ein Unbehagen, gedeihen gegenseitige Ressentiments", hieß es in der Rede. "Erlauben Sie uns also in den kommenden Tagen, viele sehnsüchtige Diagonale-Postkarten wider die Provinzialität an uns alle zu schreiben: als Plädoyer für Grautöne und Farbüberlagerungen - für Realität und Utopie."

DIAGONALE FILMFESTIVAL: ERÖFFNUNG UND VERLEIHUNG DES "GROSSER DIAGONALE-SCHAUSPIELPREIS '23": PACHNER / FRIESZ

Valerie Pachner und Michou Friesz

Die Laudatio für Margarethe Tiesel hielten die Schauspielerinnen Valerie Pachner und Michou Friesz. "Du stürzt dich mit allem, was du hast, in deine Figuren", lobten sie die Kollegin. Tiesel würde Frauen ein Gesicht geben "die gerne übersehen werden". Die Geehrte kämpfte mit den Tränen und meinte: "So peinlich, wenn Schauspieler heulen, aber man muss heulen". Sie sei "sprachlos", da sie "noch nie so viel Lob" bekommen habe. "Ich hatte Glück", meinte sie in Hinblick auf ihre Erfolge und betonte "Ich bin stolz, dass ich hier stehe". Als Preis erhielt sie ein Kunstwerk von Xenia Hausner. Das Publikum feierte nicht nur die Schauspielerin, sondern bereits vorher die beiden scheidenden Intendanten ausgiebig mit stehenden Ovationen.

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