Festivalstart mit "Maikäfer flieg" und Mangold-Ehrung

Festivalstart mit "Maikäfer flieg" und Mangold-Ehrung
Neues Intendaten-Duo wandte sich "gegen eine Kulturszene, die nur anlassspezifisch politisch agiert".

Das Filmfestival Diagonale startete Dienstagabend in Graz mit der Christine-Nöstlinger-Adaption "Maikäfer flieg" von Mirjam Unger und dem Großen Schauspielpreis für Erni Mangold. Die neuen Intendanten Peter Schernhuber und Sebastian Höglinger sagten u.a., man verwehre sich "gegen eine Kunst- und Kulturszene, die nur anlassspezifisch, tagesaktuell und themenorientiert politisch agiert".

"Halbherzige Willkommenskultur"

" Kino kann gerade heute etwas, was anderen Medien verwehrt bleibt - Film kann Gedanken reifen lassen und Bilder für komplexe Zusammenhänge finden", so die Intendanten. Über die Rahmenbedingungen ließe sich lange sprechen, dies solle auch in den nächsten Tagen der Fall sein. Die Intendanten nahmen sich auch des Flüchtlingsthemas an, sprachen von einer "ohnehin halbherzigen Willkommenskultur". Es seien nicht nur die Bilder aus Idomeni an der mazedonischen Grenze: "Nein, die Außengrenze ist überall". Zum Abschluss gab es einen vielbeklatschten Aufruf: "Lassen Sie uns für den Film in all seiner Vielfalt brennen."

Auch die ungleiche Verteilung von Fördermitteln war ein Thema ihrer Eröffnungsrede: "Leider muss man noch immer - und immer wieder - in Erinnerung rufen, dass das vermeintliche "Frauenthema" nichts weniger als die Frage aufwirft, wie wir alle leben wollen - und also kein Frauenthema, sondern unser aller Thema ist", so das neue Intendantenduo in seiner Eröffnungsrede: "Eines, das uns keinesfalls nur heute am Internationalen Frauentag begleiten darf". Die Zusammenhänge seien komplexer und bedürften des Zweifels. "Wo er fehlt, regiert die Unsicherheit, von der uns gegenwärtig viel zu viel umgibt," so Schernhuber und Höglinger zum Start des Festival, das bis Sonntag in vier Kinos 158 Filme und Videos - darunter 42 Uraufführungen - auf dem Programm hat.

Stehende Ovationen für Erni Mangold

Eine Laudatio mit Superlativen und auch präsidentielles Lob von Heinz Fischer auf einem seiner letzten offiziellen Termine in Graz gab es am Dienstag in der Nacht bei der Eröffnung der Diagonale in der Helmut List-Halle für Erni Mangold, die den Großen Schauspielpreis des Filmfestivals erhielt. Die Ovationen waren schon stehend, bevor Mangold noch die Bühne erklommen hatte.

Festivalstart mit "Maikäfer flieg" und Mangold-Ehrung
Die Schauspielerin Erni Mangold liest am Mittwoch gemeinsam mit Karl Markovics aus dem soeben erschienenen Buch „Verwaltete Kindheit“.
Ausgesprochen gut und mit viel Zwischenapplaus rezipiert wurde vom Publikum vor der Preisverleihung das junge neue Leitungsduo Peter Schernhuber und Sebastian Höglinger - die "Diagonale-Jungs", wie man schon allgemein und liebevoll sage, so die Produzentin des Eröffnungsfilms "Maikäfer flieg", Gabriele Kranzelbinder. Vom in bester Moderatorenlaune befindlichen Conferencier Christoph Grissemann wurde das Duo als "Intendanten im besten Außenminister-Alter" bezeichnet, bevor er zur 89-jährigen Preisträgerin Mangold überleitete, die seiner Ansicht nach "die Auszeichnung 30, 40 Jahre zu spät erhält".

Die Laudatio auf Mangold hielten die Jurymitglieder Hilde Dalik und Murathan Muslu, die in höchsten Tönen schwelgten. Mangold stehe für Hingabe, Präzision und Großzügigkeit gegenüber den Partnern; sie habe mit den Großen in den Anfängen des österreichischen Films gespielt, von Curd Jürgens bis O.W. Fischer. Diese Zeit sei auch von Machos bestimmt gewesen, das müsse am internationalen Frauentag gesagt werden, "aber sie hat sich nicht einschüchtern lassen", so Muslu, seine Kollegin Dalik sprach vom berühmten "Erni-Mangold-Scheiß-drauf-Faktor". Für die Preisträgerin wurde dann eine kurze Zusammenstellung aus ihren Filmen gezeigt, mit einigen feinen Szenen, unter anderen ihrer Handhaltung, die die berühmte Merkel-Raute schon vor 60 Jahren vorwegnahm sowie eine Einstellung mit einem ihrer Lieblingsschüler, Christoph Waltz.

"So Preise haben ja einen Haken"

"Was soll ich dazu sagen?" fragte Mangold in ihrer Rede. "Ich finde so Preise wunderbar. Christoph Waltz, der mein Student war, der hat ja auch so einen, das finde ich gut, dass er im Alter endlich ... ", so eine schelmisch aufgelegte Preisträgerin. Dann formulierte Mangold einen Aufruf an die zahlreich versammelten Politikvertreter, der auf der Diagonale schon öfters geäußert worden war: "So Preise haben ja einen Haken. Es gibt so viele wunderbare Leute mit Kinofilmen, Filmen, Dokumentationen, die bekommen dann einen Preis und es gibt dann schon einmal Geld und dann lange nichts mehr. Ich hoffe nur, eines Tages wird es mehr Geld geben, bei uns wird ja immer am meisten gespart, da kann man nix machen".

Mangold erhielt im Anschluss an ihre Rede das "Kunstwerk" zu ihrem Preis, einen von der Wiener Künstlerin und Designerin Anna Paul gestalteten Kimono samt Stange zum Aufhängen. "Ein Kimono mit eingewebten Handke-Texten", witzelte Grissemann. "Ich komme mir vor wie der Nikolaus", meinte Mangold trocken.

Unger bedankte sich bei Kindern

Die Regisseurin von "Maikäfer flieg", Mirjam Unger, bezeichnete es als "eine ganz ganz große Sache", das Festival mit dem eigenen Film zu eröffnen. Sie bedankte sich besonders "bei den Kindern, die heute da sind" und die den Film prägten, die Darsteller wie Zita Gaier und Paula Brunner: "Ihr seid so wundervoll". Dies galt aber offenbar auch für ihren Sohn Wenzel: "Der Trailer ging nicht raus, bevor er nicht sagte, das passt jetzt".

INFO: www.diagonale.at

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