Der UFO-Naut aus Bratislava
Im obersten Geschoß des Wiener mumok sind die Besucher ab heute eingeladen, Tischtennis zu spielen: Von den viereinhalb Tischen (eine Hälfte steht zur Wand) sind aber nur zweieinhalb betriebstüchtig. Ein Tisch ist mit Absperrband verklebt, ein anderer in stapelweise Zeitungen „eingemauert“.
Das Arrangement ist dem „Ping Pong Club“ nachempfunden, den Július Koller 1970 in der „Galerie der Jugend“ in Bratislava installierte. Frustriert vom Scheitern des „Prager Frühlings“ und hochgradig kritisch gegenüber jeder akademischen Kunst, suchte Koller nach anderen Möglichkeiten demokratischer Kommunikation – und fand sie in Sportarten, bei denen man Regeln des „Fair Play“ befolgen konnte.
Ping-Pong-Widerstand
Einen Widerborst, der sich den Regeln des Kunstbetriebs versagte, in einer Museumsausstellung zu würdigen, ist ein widersprüchliches Unterfangen. Die bezeichnenderweise „One Man Anti Show“ genannte Retrospektive im mumok meistert die Herausforderung jedoch dank eines guten Zusammenspiels von offener Gestaltung und wissenschaftlichem Anspruch.
Koller hatte Malerei studiert und finanzierte sich seinen Lebensunterhalt mit Kunstunterricht und dem Verkauf recht konventioneller Landschaftsbilder. Daneben aber übersetzte er die Manifeste westlicher Avantgarde-Künstler, sammelte und rearrangierte Material aus Zeitungen und malte „Anti-Bilder“. Auf Keilrahmen gespannte Pullover, wie sie auch Österreichs Kunst-Star Erwin Wurm anfertigt, ersann Koller bereits 1965.
Mit Ausstellungen im eigentlichen Sinn hatte der Künstler wenig am Hut. Eher waren es Inszenierungen, so genannte „kulturelle Situationen“, mit denen er sein Kunstverständnis praktizierte. Sie wurden fotografisch dokumentiert, unter dem Radar staatlicher Zensur segelte Koller damit meist durch.
Utopie am Tennisplatz
Letztere stehen zunächst für die Hoffnung auf eine andere Zukunft und die Reise in eine Welt außerhalb der starren Strukturen, in denen der Künstler lebte. Koller entwickelte aber unzählige Variationen des Akronyms: „U.F.O.“ stand auch für „universell-kulturelle futurologische Operationen“, für eine „Universelle Fragen-Olympiade“ oder „Utopische fantastische Objekte“. Eine „U.F.O.-Galerie“ siedelte Koller auf einem Hochplateau der Hohen Tatra an, wo kein Mensch jemals hinkam.
Kunst am Bauzaun
Die mumok-Schau versucht Kollers Kunstverständnis auch dadurch gerecht zu werden, dass kein Bild klassisch-museal an der Wand präsentiert wird. Statt dessen hängen in der luftigen Ausstellungsarchitektur von Hermann Czech Werke von der Decke, oder sie erscheinen auf Stellwänden, die an Bauzäune erinnern.
Es ist keine Kunst, die heroisch die Faust reckt. Doch sie bringt die Unzufriedenheit mit herrschenden Verhältnissen und den Appell, wach zu bleiben, auf den Punkt. In einer Zeit, in der repressive Kräfte Fahrt aufnehmen, gewinnt Kollers Werk an Aktualität: Es ist das Zeugnis eines Menschen, der sich nicht unterkriegen ließ.
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