Der TV-Star, der ins Literaturlexikon wollte

Dietmar Schönherr (1926 - 2014)
Es gibt eine neue Gelegenheit, Dietmar Schönherrr als Schriftsteller zu entdecken.

Dietmar Schönherr schrieb Fernsehgeschichte ("Raumpatrouille Orion", "Wünsch dir was"). Gewünscht hätte er sich eine Eintragung in Literaturlexika.

Mehr als zehn Bücher hat er veröffentlicht, "Liberté und die Wölfe" war der persönliche Favorit des Innsbruckers – gewidmet denjenigen, die "der Schandfahne des 1000-jährigen Reiches mutig den Rücken gekehrt haben".

Der kleine Ephelant Verlag in Wien hat’s:

Ein junger Schafhirt muss mitansehen, wie ein Wolf die Schafe reißt und seinen kleinen Hund tötet. Als der König Krieg macht, weigert sich der Bub, daran teilzunehmen: Zu den Schafen will er gehören. Sein starker Wille macht ihn unbesiegbar. Der König gibt sich geschlagen und ernennt ihn zum Minister. Die Armee wird abgeschafft, das gesparte Geld sorgt für Wohlstand ...

Nicaragua

Naiv? Sehr naiv. Aber Dietmar Schönherr war durch seine vielen Projekte mit dem Priester und Sozialreformer Ernesto Cardenal in Nicaragua Realist.

Die Wölfe geben nicht so schnell auf, auch nicht in dem Roman. Es gibt feuchte Augen (also nicht unbedingt etwas für Germanisten).

Und kein Happy End.

Noch nicht. Nur die Gewissheit, dass der Weg des Schafes der richtige ist.

Auch in "Die blutroten Tomaten der Rosalia Morales" – dem Buch, das vergriffen war und jetzt neu aufgelegt wurde – KÖNNTE alles viel besser sein.

Es ist ein episodenhafter Nicaragua-Roman. Die Liebe zu Land und Menschen ist immer spürbar, selbst wenn Ärger mitschwingt. Manches ist autobiografisch.

Nicaragua war Schönherrs "unwirsche Geliebte". Im Schweizer TV hatte er US-Präsident Reagan "Arschloch" genannt, weil er die Contras unterstützte.

Lebensmittel

Der auch nach seinem Tod bestehende Verein "Pan y Arte" gibt Nicaragua Brot und Kunst, "die wichtigsten Lebensmittel!" Einiges ging schief, die verheerenden Folgen des Hurrikans Mitch werden auch im Buch nicht ausgespart, Dann ist es nicht mehr witzig. Doch bleibt es Unterhaltung im Sinne Brechts, das war Schönherr wichtig: Ernste Themen sollen unterhaltsam ans Publikum weitergegeben werden.

Er selbst bezeichnete "Die blutroten Tomaten der Rosalia Morales" immer als "Schelmenroman".

Der Vorarlberger Germanist Eberhard Sauermann meint, als Herausgeber der Neuauflage korrigieren zu müssen: Kein Schelmenroman, sondern die teils humorvolle, teils todtraurige Darstellung eigener und fiktiver Erlebnisse mit ironischen Zügen".

Wenn man so korrekt sein will: Aufs Wort "ausmerzen", das Sauermann im Nachwort verwendet, kann man gut verzichten, seit es in den Nazi-Wortschaft gewandert ist und Menschen "ausgemerzt" wurden.

Nicht nur Dietmar Schönherr war da immer höchst sensibel.

Dietmar Schönherr:
„Die blutroten Tomaten der Rosalia Morales
Herausgegeben und kommentiert von Eberhard Sauermann.
Haymon Taschenbuch. 221 Seiten. 9,95 Euro.

KURIER-Wertung: ****

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