Der Tod des Vaters als Befreiung und Erlösung

Ein zwölfjähriger Sohn leidet unter seinem eiskalten Vater: Valentin Haugg und Karl Markovics in der André-Heller-Verfilmung
Rupert Henning verfilmt derzeit in Wien mit Karl Markovics André Hellers autobiografische Erzählung "Wie ich lernte, bei mir selbst Kind zu sein".

Vor neun Jahren veröffentlichte André Heller eine autobiografisch unterfütterte Erzählung, die er sich von der Seele geschrieben hatte: Für den zwölfjährigen Paul Silberstein ist der plötzliche Tod des herzlosen Vaters eine Erlösung, eine Befreiung.

Regisseur und Drehbuchautor Rupert Henning, der u.a. die jüngsten Österreich-"Tatorte" verantwortete, war beim Lesen sofort fasziniert: "Schon während der ersten 20 Seiten hatte ich die Bilder im Kopf", sagt er im Gespräch mit dem KURIER. "Und den impulsiven Wunsch, einen Film daraus zu machen."

Zusammen mit Uli Brée, dem Erfinder der "Vorstadtweiber", schrieb er bereits vor mehr als drei Jahren auf Basis von "Wie ich lernte, bei mir selbst Kind zu sein" ein Drehbuch. Während Heller den despotischen, von den Nationalsozialisten psychisch gebrochenen Industriellen Roman Silberstein in den Erinnerungen des Sohns plastisch werden lässt, verzichten sie auf Rückblenden – und erzählen die Geschichte rund um das absurd-heitere Begräbnis chronologisch.

Doch gut Ding braucht Weile. Und viel Geld. Aber nun, seit Mitte September, wird mit einem Budget von rund vier Millionen Euro gedreht. Karl Markovics spielt den Vater, der nicht aus seiner Haut kann. Er hätte, sagt er, das Buch nicht gekannt, sei dann aber erstaunt gewesen, wie schnörkellos und klar Heller zu erzählen verstehe. Eigentlich sollte er die Rolle eines der drei Onkeln übernehmen, die aus Übersee zum Begräbnis anreisen. Aber dann, im Sommer, zwei Monate vor Drehbeginn, habe Henning umdisponiert.

Beziehungsweise: Henning hatte gleich drei Favoriten, auch Nicholas Ofczarek und Paulus Manker, die von der Statur her eher Hellers Vater nahe gekommen wären. Aber ihm ging es nicht darum, einen authentischen Film über die Hellers zu drehen, sondern eine Familie zusammenzustellen, die glaubwürdig ist. "Der Film muss auch funktionieren, wenn man André Heller nicht kennt", erklärt Henning.

Hermes statt Heller

Daher gibt es ziemliche Abweichungen. Als verhasstes "Kollegium Attweg" von Paul (Valentin Hagg) diente das Stift St. Florian: "Nicht wegen des Prunks", sagt Henning. "Aber in den Gängen dort geht ein Menschlein verloren. Das wollte ich zeigen."

Noch krasser ist die Diskrepanz im Fall der Villa Silberstein. Denn als Location wurde die üppigst ausgestaltete Hermesvilla ausgewählt. Die Hellers hingegen wohnten in einem schmucklosen Haus von Adolf Loos nahe des Schönbrunner Tierparks.

Hellers Vater besaß zwar eine herausragende Bibliothek; doch sie sah ganz anders aus als jene im Palais Fürstenberg, in der am Wochenende die große "Sterbeoper" (so Markovics) gedreht wurde. Heller staunte beim Set-Besuch über den "kompletten Gegenentwurf". Und er erkannte sich auch nicht im Darsteller seiner selbst, eben Valentin Hagg, wieder. Aber das sei kein Problem. Denn: "Ich erkenne mich auch nur selten in mir selber."

In die Kinos kommen soll "Wie ich lernte, bei mir selbst Kind zu sein" im Herbst 2018. Wenn sich Isabelle Welter, die ausführende Produzentin, etwas wünschen darf, dann erlebt der Dor-Film seine Premiere bei den Filmfestspielen von Venedig.

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