Der Sommerhit aus Amerika

Emma Cline ist heute 27
Emma Cline und "The Girls": Das Ende einer Kindheit - bei Charles Manson.

Emma Cline gilt mit "The Girls" als Amerikas Buchsensation dieses Sommers.

Der Debütroman der 25-Jährigen ist nahezu zeitgleich bei Random House in den USA und bei dem Münchner Hanser Verlag erschienen, und dass Emma Cline zwei Millionen Dollar Vorschuss bekommen hat (allerdings sind vertraglich zwei weitere Bücher fixiert), hat sich ebenso schnell herumgesprochen.

Wahrscheinlich hat dieser Batzen Geld schon auch damit zutun, dass "The Girls" auf der kalifornischen Ranch des Sektenführers Charles Manson spielt, der 1969 Morde – u.a. an der in der Nachbarschaft wohnenden Schauspielerin Sharon Tate – anordnete.

Mitglieder der "Manson Family" führten sie aus.

Aber Manson, der in Clines "The Girls" Russell heißt, ist für die Autorin ein uninteressanter Mann (und die Verbrechen spielen im Roman kaum eine Rolle).

Was macht er denn Tolles? Er ergreift die Hand der Mädchen, die zum ihm kommen, er knetet ihre Finger, er zieht seine Hose runter ... und manchmal, manchmal komponiert er ein Lied über die Liebe, wie es Buben ebenfalls zusammen bringen. Peinlicher 35-jähriger Kerl.

Abgelehnt

Für Emma Cline sind die Frauen wichtig ("Noch nie hat jemand über sie geschrieben"): des "Propheten" ungekämmte, schmutzige Hippie-Mädchen, hässlich und schön zugleich.

Allen voran Susan Atkins, für die Manson damals – sie war 20 – die Bedeutung von Jesus hatte und die, wie Manson, Lebenslang verbüßt. Ihre Gnadengesuche wurden 19 Mal abgelehnt.

Zum Buch: Hätte es mit Evie ähnlich "weit" kommen können? Hass sei damals auch in ihr gewesen ... Die idiotischen Blendungen des "Führers" seien auch bei ihr anfangs erfolgreich gewesen. Sie war ja so jung!

Die älter gewordene, nicht glücklich gewordene Evie erinnert sich an die Sommerferien 1969, der immer noch wie ein Schatten über ihr liegt.

14 war sie und einsam. Die Eltern hatten sich eben scheiden lassen, Evie wollte mehr beachtet werden.

Das taten die Hippie-Mädchen, denen sie auf der Straße begegnete. Das tat auch Russell (= Manson), zu dem sie gebracht wurde. Viele Nächte blieb sie in der Kommune. Aber als es mörderisch zuging, war sie zu Hause.

Ein Pech, dass sie ausgerechnet in diese Gruppe gekommen war. Hätten ja auch irgendwelche schräge Christen sein können.

Jetzt kann man’s laut sagen: Emma Clines Roman "The Girls" ist deshalb eine Überraschung, weil er so verdammt gut ist. Bloß eine Geschichte vom Erwachsenwerden, zeitlos, obwohl vor vier Jahrzehnten angesiedelt.

Und überhaupt nicht schnoddrig erzählt! Sondern lyrisch, elegant. Bei Emma Cline "bröckeln Tage weg wie Schutt von einer Klippenwand", und das Leben, ja, das Leben ist "ein ständiges Zurückweichen vom Rand."

Emma Cline:
„The Girls“
Übersetzt von Nikolaus Stingl. Hanser Verlag.
347 Seiten. 22,70 Euro.

KURIER-Wertung: **** und ein halber Stern

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