Der Roman zum Wiener Glücksspiel
Dem Unfassbaren, dass es eine Hintertür geben könnte, durch die nach dem Verbot wieder einarmige Banditen in Spielhallen gebracht werden können, stellt sich "Minus" entgegen.
"Minus" ist ein Roman über das Glücksspiel in Wien. Über Pferde- und Hunderennen und über Automaten, an denen man Geld gewinnen kann.
Aber verliert.
Ilir Ferra – in Albanien 1974 geboren, im Alter von 16 Jahren nach Wien gekommen, wo er Übersetzung (Englisch, Italienisch) studierte – hat in einem Wettlokal als Buchhaltergehilfe für 6.60 Euro pro Stunde gearbeitet, und zwar in der Niederhofstraße beim Meidlinger Markt.
Einen Kunden lässt er im Buch sagen:
Wie die Hauptstraße eines Dorfes ist es hier gewesen, und die Leute haben sich gut vertragen. Man grüßte einander, man grüßte sogar diejenigen, die man nicht gut leiden konnte, und es gab keine Schlägereien, keine Überfälle, Drogen, keinen Vandalismus ... aber das hat den Dunklen Mächten nicht gefallen.
Sie sorgten dafür, dass ein Wettbüro aufsperrte – und schon wurde die Niederhofstraße ein Vorhof der Hölle.
Nicht allein Menschen können zerstört werden, sondern ganze Gegenden.
Der Autor hat vor allem deshalb im Wettbüro gearbeitet, um die Kunden kennenzulernen. Die Serben, Kroaten, Bosnier, Mazedonier, Türken, Nigerianer. (Österreichische Stammgäste gab es so gut wie keine.)
Ilir Ferra beobachtete, plauderte und arbeitete an diesem Roman.
Obwohl man bei diesem Job ausdrücklich darauf hingewiesen wird, unbedingt auszublenden, dass die Kunden Menschen sind.
Verwandlung
Würde man sonst unentwegt kotzen, wenn man nachdenkt, dass die Leute am Monatsanfang einen ganzen Monatslohn verspielen und ihre Familie dann kein Geld hat?
Dass sie selbst feuchte Augen haben wegen ihrer Kinder daheim , wenn die Hosentasche leer ist?
"Minus" sind Alltagsgeschichten ohne halblustige Typen, die falsch singen und Unsinn reden.
Einen ernsteren, genaueren Einblick in die Welt der Wettlokale – die mitunter eine Heimat ist – kann es nicht geben. Eine bessere Beschreibung für Menschen, die sich urplötzlich in Gegenstände verwandeln, wenn ihnen die Scheine zum Wetten ausgegangen sind, wird man schwer finden.
Ilir Ferra meint, einzigartige Literatur sei nur möglich, wenn man über Selbsterlebtes schreibt. Darüber muss man streiten. Bissl zu lang ist sein Text.
KURIER-Wertung:
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