Der mit den Knochen spricht

Simon Beckett
Ein Schuh treibt im Wasser, mit Hammerzehen: Auch Simon Becketts "Totenfang" ist schon ein Bestseller.

Zuerst verliert man Finger und Füße, wenn man tot im Wasser treibt.

Finger und Füße fallen einfach ab, weil sich das verbindende Gewebe der Gelenke auflöst.

Beim Angeln und Schwimmen sind derartige Fundstücke nicht gar so beliebt. Aber offensichtlich wird gern darüber gelesen (am liebsten im deutschsprachigen Raum) – sofern Simon Beckett aus Sheffield darüber schreibt.

Sein Held spricht die Sprache der Knochen, der Fäulnis und der Verwesung:

Es ist der forensische Anthropologe bzw. Rechtsmediziner Dr. David Hunter, bekannt seit 2006, als der Witwer in "Die Chemie des Todes" eine stark verweste Frauenleiche untersuchte, der von ihrem Mörder Schwanenflügel in den Rücken gesteckt worden waren.

In diesem Thriller hat Beckett auch beschrieben, wie sich Insektenlarven an den Toten laben und dann in Reih und Glied abziehen, immer Richtung Süden, niemals in den Norden.

Niemand weiß, warum.

Platz eins

Schnell wurde dieses nicht sonderlich appetitliche, allerdings spannende Buch eine Million Mal verkauft.

Zuvor hatten viele Verlage das Manuskript abgelehnt.

Nach "Kalte Asche", "Leichenblässe" und "Verwesung" hält die Hunter-Serie bei 9,5 Millionen.

Eben ist Teil fünf, "Totenfang", erschienen – zuerst im zu Rowohlt gehörenden Wunderlich Verlag, erst danach dürfen sich die Briten schrecken. In der KURIER-Bestsellerliste ist er schon auf Platz eins.

Der Autor selbst hat die Journalisten in einem Begleitbrief gebeten, so gut wie nichts zu verraten, weil der Krimi sonst zerstört wird.

Na gut.

Nur ein (langer) Satz:

In der Sumpflandschaft von Essex wird eine Wasserleiche gefunden, dabei könnte es sich um einen verschwundenen Aristokratensohn handeln, der vermutlich seine Geliebte umgebracht hat und dann sich selbst, allerdings treibt da noch ein Fuß mit Hammerzehen in einem Turnschuh im Wasser, und ein Hund findet noch ein ganzes Skelett im Fluss, umhüllt von Stacheldraht.

Body Farm

Nicht englisch, sondern amerikanisch ist das.

Mit Überraschungen bis zur allerletzten Seite. Unmöglich, bei Simon Beckett früh durchzublicken. Deshalb benötigte er für "Totenfang" fünf Jahre.

Vor dem Sterben und dem Tod hat er die Angst nicht verloren. Im KURIER-Interview berichtete Beckett, wie er in Tennessee, USA, die "Body Farm" besucht hatte.

Eine ehemalige Mülldeponie, wo immer 20, 30 Leichen liegen. Hier erforschen Wissenschaftler und FBI den Zerfall des menschlichen Körpers. Ein Schock, den Beckett gern weitergibt ... Und damit unterhält z. B.:

Wenn sich im Wasser die Weichteile zersetzen und die Fettschicht unter der Haut zerfällt, dann ummantelt eine dicke, wachsweiße Hülle den toten Körper, genannt Adipocire oder ... Seife.


Simon Beckett:
Totenfang
Übersetzt von Sabine Längsfeld und Karen Witthuhn.
Wunderlich Verlag.
560 Seiten. 23,60 Euro.

KURIER-Wertung: ****

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