Der Mensch muss schreien dürfen

Pippo Pollina
Giuseppe Fava (1925–1984) über Sizilien im Wandel

Plötzlich verschwand Mauro de Mauro, Journalist der Tageszeitung L’Ora für immer.

Danach wurde Kollege Mario Francese vom Giornale di Sicilia umgebracht.

Am 5. Jänner 1984 ermordete die Mafia dann Giuseppe "Pippo" Fava – vor dem von ihm gegründeten Theater in Catania, wo sein Anti-Mafia-Stück "L’ultima violenza" (Die letzte Gewalt) auf dem Programm stand.

Das alles geschah am Anfang des Kampfes gegen die Mafia. Die war noch nicht daran gewöhnt, kritisiert zu werden. Nicht einmal Thema wollte die Mafia sein.

Niemals fügsam

In "Ehrenwerte Leute", 1975, hat der Sizilianer vom Teufelskreis erzählt (in den jeder gelangen kann, jederzeit), indem er eine junge Volksschullehrerin in ein abgeschiedenes Bergdorf schickte, wo alle Angst hatten und alle schwiegen.

"Bevor sie Euch töten" ist weniger bekannt.

Aber stark durch sein wohltuendes Engagement.

Ein anderer Pippo, Liedermacher Pippo Pollina aus Palermo, macht Werbung für diesen Roman. Er hat Fava persönlich gekannt, als Junger durfte Pollina an dessen Zeitung I Siciliani – und damit in der Bewegung gegen die Mafia – mitarbeiten.

Im Vorwort zum neu aufgelegten "Bevor sie Euch töten" nennt er Giuseppe Fava einen "radikalen, aber nie unkontrollierten Romantiker", niemals fügsam, immer warmherzig.

Schlussplädoyer

Das arme, alte Sizilien wird gezeigt. Der Steinbruch, bevor eine einbrechende Wand viele tötete: Arbeiter verdienten 20 Lire, dafür brach jeder am Tag drei Zentner Stein. Der Eigentümer bekam pro Zentner 100 Lire, mindestens.

Das aufbegehrende Sizilien wird gezeigt. Brave Männer, die zu Banditen werden, damit ihre Familie Geld zum Überleben hat.

Fava lässt seinen Helden ein Schlussplädoyer halten. Der Held sagt einem Leuteschinder, was der Mensch braucht: Arbeit braucht er. Wohnung, Wasser, Strom. Und Lesen und Schreiben will der Mensch lernen, damit er versteht, was in der Welt passiert. Und Medizin braucht er.

Und noch etwas braucht der Mensch: Er muss auf die Piazza gehen und allen ins Gesicht schreien können: "Ihr kotzt mich an!"


Giuseppe Fava:

„Bevor sie Euch töten“
Vorwort von Pippo Pollina. Übersetzt von Peter O. Chotjewitz.
Unionsverlag.
352 Seiten.
15,40 Euro.

KURIER-Wertung: ****

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