Der Mann fürs Große: Max Hollein übernimmt Metropolitan Museum
Erst vor zwei Jahren hat Max Hollein seinen Job als Direktor des Städel Museums, der Schirn Kunsthalle und des Liebieghauses in Frankfurt hinter sich gelassen, um die „Fine Arts Museums of San Francisco“ zu übernehmen.
Nun ist ihm ein noch gewaltigerer Sprung gelungen: Das Metropolitan Museum in New York, dessen Leitung der 1969 in Wien Geborene im August übernimmt, ist das größte Museum der USA und eines der größten weltweit. Nur der Pariser Louvre zählt mehr Besucher.
Auch in der Qualität und Vielfalt seiner Sammlungen ist das Museum, das heute drei Standorte in Manhattan bespielt, Weltspitze: Die Leitung des „Met“ sei ein „Angebot, das man nicht ablehnen kann“, sagte Hollein gegenüber Ö1.
Gerüchteweise war er schon einmal, 2008, für den Posten im Gespräch gewesen. Damals entschied man sich für Thomas Campbell, den hauseigenen Kurator für Tapisserien.
Der Mann für Top-Jobs
Allerdings gibt es kaum einen Top-Job im internationalen Museumswesen, für den Hollein zuletzt nicht als Kandidat gehandelt worden wäre: Bei der Besetzung des KHM 2009 fiel sein Name ebenso wie zuletzt bei der Führungsdebatte um das Humboldt-Forum in Berlin.
Hollein meisterte bisher stets den Balanceakt zwischen fachlicher Kompetenz, Publikumswirksamkeit und wirtschaftlichem Erfolg: In Frankfurt, wo er von 2001 bis 2016 wirkte, sorgten seine Ausstellungen sowohl von aktueller als auch historischer Kunst für Besucherrekorde. Dazu lukrierte Hollein massiv Sponsorgelder, darunter 52 Millionen € für die Erweiterung des Städel Museums.
Die Einbindung privater Geldgeber qualifizierte den Sohn des Architekten Hans Hollein, der nach einem Kunstgeschichte- und Betriebswirtschafts-Studium 1995 als Assistent des Guggenheim-Direktors Thomas Krens startete, auch für Museumsjobs in den USA: Fundraising ist hier essenziell.
Von den 297,8 Millionen US-Dollar, die das „Met“ im Geschäftsjahr 2017 an Einkünften verbuchte, stammten nur rund zehn Prozent aus öffentlichen Quellen.
Ein Tanker in Not
Finanznöte waren auch der Grund, dass das Metropolitan Museum überhaupt einen neuen Direktor suchte: Unter Campbell, der massiv in Expansion und seine Digitalisierungsstrategie investiert hatte, war das Budgetdefizit explodiert. 2016 zog man die Notbremse und verordnete einen harten Sparkurs: Mitarbeiter wurden gekündigt und der von Star-Architekt David Chipperfield geplante Erweiterungsbau des Haupthauses an der Fifth Avenue auf Eis gelegt.
Zuletzt ließ sich das Defizit auf 10 Millionen US-Dollar eindämmen, 2020 will man ausgeglichen bilanzieren.
Anders als Vorgänger Campbell untersteht Hollein in seinem neuen Job formell dem Generaldirektor Daniel H. Weiss und hat primär die künstlerischen Aktivitäten zu verantworten. In der Praxis wollen die beiden als Partner agieren, Hollein wird ebenso für die Akquise von Geldmitteln zuständig sein.
Das Museum stand zuletzt in der Kritik, weil es bei der Annahme von Spenden wenig zimperlich war: Nach der Familie Sackler, deren Pharma-Unternehmen für die sorglose Verbreitung von Opioiden verantwortlich gemacht wird, ist der Museumsflügel mit dem ägyptischen Dendur-Tempel benannt; den Brunnen am Vorplatz sponserte David H. Koch, Finanzier von rechten Gruppierungen und Klimawandel-Leugnern.
Eine umstrittene Aktion zur finanziellen Konsolidierung des Metropolitan Museums war auch die Abschaffung der bisher geltenden Eintrittspolitik: Seit März können nur mehr Einwohner von New York und New Jersey das Museum gegen eine freiwillige Spende betreten, alle anderen Besucher zahlen (regulär 25 US-$): Die Maßnahme wurde als Signal gegen die Offenheit des Museums gewertet.
Offenheit als Ziel
Gerade die Öffnung und Ausweitung des Museums ist aber ein Anliegen Holleins: „Das ,Met‘ ist ein einzigartiger Ort, an dem Besucher die künstlerischen Errungenschaften der Menschheit aus erster Hand erleben können. Wir haben heute aber auch viele andere Möglichkeiten, kulturelle Bildung und Wissen zu verbreiten, und sind dazu verpflichtet, das auch zu tun“, heißt es in seinem Antritts-Statement.
Die Berücksichtigung kultureller Vielfalt in der Programmierung wird für Hollein, dessen Job das Wall Street Journal als „eine Mischung aus Kurator, Anwalt und Diplomat“ bezeichnet, ebenso ein Thema sein wie der Dialog mit Publikumsgruppen, die dem Museum bislang eher fernblieben.
Auch die Debatte um mögliche Rückgaben von ethnografischen Objekten, die im Zuge kolonialistischer Ausbeutung ins Museum gelangten, ist zuletzt wieder aufgeflammt – und wird am Museum mit seinen zwei Millionen Sammlungsstücken nicht einfach vorbeiziehen.
Dass mit Hollein erneut ein weißer Mann den Top-Job bekam, wurde von New Yorker Kommentatoren bereits kritisiert. Doch immerhin ist er der erste Direktor seit 60 Jahren, der nicht dem Personal der traditionsreichen Institution selbst entstammt – und erst der zehnte Direktor überhaupt.
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