"Der Mann, der nie krank war" von Arnon Grünberg
Jessas, schon wieder ein Roman, der – laut Klappentext – in die eigenen Abgründe führt.
Aber dort sitzen die Menschen, die viel lesen, ja schon seit Jahren; dankbar zwar, dass sie sich gut kennenlernen durften. Aber könnte ihnen jetzt jemand hinaufhelfen (wenn’s geht, dann bitte NICHT Paolo Coelho)?
Wird allerdings nicht so schlimm beim Niederländer Arnon Grünberg.
Wird sehr unterhaltsam und unbequem – aber, wenn man sich’s nicht zu Herzen nimmt, was hier geschieht, wird es nur für Herrn Samarendra Ambani unbequem. Er ist Schweizer indischer Abstammung. Ein Modell-Schweizer, sehr, sehr sauber. So sauber, dass er keine Erektion bekommt, wenn in der Küche noch schmutzige Teller in der Abwasch liegen.
Samarendra ist Architekt. Jung, naiv. Den Auftrag eines Exil-Irakers, in Bagdad eine Oper für Puccini-Musik zu bauen, nimmt er gern an. Die Idee, das könnte irgendwie unpassend sein, kommt ihm gar nicht.
Kaum ist er im Irak, wird der Araber ermordet, und der Architekt landet als Spion in einer Zelle.
Wo ihm seine Entführer die Nase brechen und ihm ins Gesicht pinkeln.
Gar nicht mehr so sauber kehrt er mithilfe des Roten Kreuzes zurück in die Schweiz. Und hat’s ab sofort gern "dreckig".
Aber das muss er sich mit seiner Freundin ausmachen.
Kein Verlass
Obwohl er absolut nichts von der arabischen Welt versteht, zu abgehoben ist der Westen, reist er nach Dubai, wo er eine Bibliothek und einen Bunker bauen soll; und schon wieder wird er eingesperrt.
Auf nichts kann man sich verlassen.
Kann man sich darauf verlassen, dass der Architekt wirklich "nur" Architekt ist?
Ein frecher, moderner "Process" – in Anlehnung an Kafka – ist das geworden.
Arnon Grünberg ist erst 43. In Deutschland wurde er trotzdem schon für sein Gesamtwerk ausgezeichnet. Im Münchner Schauspielhaus hat im April 2015 sein Stück "Hoppla, wir sterben!" Uraufführung: Seine Figuren finden keine Ruhe, kein Zuhause. Grünberg ist ein sehr beweglicher Autor. Im Irak und in Afghanistan war er als Journalist unterwegs.
Sein neuer Roman wurde in den Niederlanden auch in Architekturzeitschriften diskutiert. Weil der "Held" ein Idealist ist, der den Menschen etwas geben will anstatt bloß Bausteine aneinanderzureihen. In einer Welt der Gewalt und des Hasses ist eine solche Architektur vielleicht fehl am Platz.
Mit seinem berühmten Lehrer ist Samarendra nicht einverstanden. Der predigte, Architekten haben die Führung zu übernehmen und dürfen nicht naiv ans Weltverbessern glauben: Die Kraft des Architekten sei Talent minus Naivität.
KURIER-Wertung:
INFO: Arnon Grünberg: „Der Mann, der nie krank war“ Übersetzt von Rainer Kersten. KiWi. 240 Seiten. 19,60 Euro.
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