Der Kitsch kam mit der Post

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"Kitsch per Post" bildet 2000 der heute wiederbegehrten alten Bromsilberkarten ab

Als es unmöglich war, Nachrichten per Telefon zu verschicken und sich kaum jemand einen Fotoapparat leisten konnte, war die goldene Zeit der Ansichtskarten: 25 Jahre, von 1895 bis 1920.

Sechs handkolorierte Kitschbilder kosteten so viel wie ein Kilo Brot.

Es wird damit gerechnet, dass im deutschsprachigen Raum 250.000 verschiedene Fotoserien erschienen sind, produziert auf 50 Milliarden Bromsilberpostkarten. Etwa zehn Milliarden davon waren verschickt worden (der Rest wurde betrachtet, in die Lade gelegt, gesammelt).

Glückwünsche, Beileidskundgebungen, starke Gefühle jedenfalls.

Der Kitsch kam mit der Post
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Die Post wurde damals mehrmals täglich zugestellt.

"Die Naivität wurde aufgeblasen, die Entzückung war Programm", sagt der Schweizer Fotohistoriker und Kulturwissenschaftler Fritz Franz Vogel, der sein Archiv für den passenderweise in roten Samt gehüllten Band "Kitsch per Post" aus dem Böhlau Verlag (61,60 Euro) weit geöffnet hat:

320 Seiten, 2000 farbige Abbildungen plus eine Original-Postkarte ... diese Inszenierungen einer möglichst problemfreien Zone – meist mit Frauen oder herzigen Kindern, die sich in Pose warfen – sind heute wieder beliebte Sammelobjekte.

Vogel weiß auch über die gut 300 Verlage zu berichten, die damit ihr Geld machten – berühmt in Wien: Gerlach, Brüder Kohn, Photobrom; und über die vielen Fotostudios, angeräumt mit Monden und Schneemännern aus Pappmachee, mit Fliegenpilzen und ausgestopften Schweinen für die Neujahrsgrüße, für die heute ein SMS reicht, aber keinen Spaß macht.

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