Der Herr Karl einer neuen Generation

Franz Adrian Wenzl (mit seiner Band Kreisky im Hintergrund): ein Wutbürger macht sich Luft
Die Band Kreisky mit Sibylle Bergs "Viel gut essen" im Rabenhof - beängstigend gut.

Der Held, der in Sibylle Bergs Monolog "Viel gut essen" seiner Wut freien Lauf lässt, könnte eine Figur von Thomas Maurer sein: Er kommt mit den Herausforderungen der Gegenwart nicht klar und ist nach rechts abgedriftet.

Doch wir entwickeln – zumindest in der Version für den Rabenhof, die am Dienstag Premiere hatte – Verständnis. Dieser Spießbürger wollte alles richtig machen, im Endeffekt aber sind die Träume von einer heilen Welt mit Familie und Haus im Grünen geplatzt. Denn das Viertel sei zum Slum verkommen, seine Frau brannte mit einem Ausländer durch, er verlor seinen recht guten Job (weil er eine Türkin nicht als Chefin akzeptieren konnte), nun muss er auch noch das gemietete Haus aufgeben.

Dieser Herr Karl einer neuen Generation artikuliert seinen Hass in Foren, er beklagt den Verlust der Heimat. Und während er über sein patschertes Leben erzählt, kocht er ein ziemlich aufwendiges Gourmet-Bobo-Menü. Denn er erwartet seine Claudia zum klärenden Gespräch.

Die nüchterne, zunächst auch absurd-witzige Umsetzung im Rabenhof könnte man als die Live-Präsentation eines "Konzeptalbums" (wie einst die "Proletenpassion") bezeichnen. Denn die Band Kreisky rund um Franz Adrian Wenzl hat, ausgehend von Bergs Monolog, sechs neue, straighte Songs geschrieben.

Die Texte dazwischen (bereits aus 2014!) sind nicht viel mehr als Überleitungen. "Austrofred" Wenzl setzt sich in einen Fauteuil, räsoniert – und wird von einem Männerchor mit Klangstäben unterstützt, der zentrale Passagen und sämtliche Kommentare zum Kochen skandiert.

Nicht die Ausrufung des Kriegs durch die Wohlstandsverlierer bildet den Schlusspunkt, sondern die Umkehrung von "Keine Angst", Hansi Langs Jubelhymne: "Ich habe Angst." Beängstigend gut.

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