Der Hausmasta ist kein gnädiger Herr

Andreas Pittler
Andreas Pittler porträtiert eine Epoche.

Die Bekanntschaft mit dem "Wiener Kreuzweg" ist auch die Begegnung mit einer nicht besonders gescheiten, aber in Kinderjahren oft gehörten Wiener Redensart: "Gemma, gemma, kalt is net."

Man wird auch von Flitscherln hören (leichten Mädchen), Brot aus der Kredenz holen (ist denn "Anrichte" schöner? NEIN), und wenn jemand eine Zigarette raucht, dann tabakiert er.

Danke, Andreas Pittler.

"Ich bin in einem alten Zinshaus in Margareten aufgewachsen. Unsere Nachbarin, die Frau Holzer, die gefühlte 90 Prozent ihrer Zeit am Gang verbracht hat, war mein erster Volkshochschulkurs in Wienerisch."

Bier statt Klavier

Und der Großvater – war Bierkutscher bei der Ottakringer Brauerei. (Er musste den Beruf wechseln, als man auf Lkw umstieg; er hatte keinen Führerschein).

Von ihm hat der Historiker, Germanist und Journalist Pittler Sprachperlen wie Taschlowitz, Geldbörse.

Moment, sagte Großvater, wenn man ihn um Geld bat. Moment, da muss ich zuerst nach Untertaschlowitz (= das Fach für die Münzen) bzw. nach Obertaschlowitz (Fach fürs Papiergeld).

"Wiener Kreuzweg" erinnert an Ernst Lothars Familiengeschichte "Engel mit der Posaune". Von der Monarchie über den "Millimetternich" (Dollfuß) zu Hitler: Jetzt mit der fiktiven "Hernalser Bräu" im Mittelpunkt.

Ähnlichkeiten mit der Ottakringer Brauerei sind kein Zufall. (Auch) Sie gehörte einem Baron mit jüdischen Wurzeln. Er starb im Schweizer Exil.

Neben den Adeligen werden zwei Arbeiter beobachtet. Freunde waren der Fritzl und der Hermann einst, beide Sozi. Einer wurde Obersturmführer und "arisierte" die Brauerei. Ihre Kinder müssen im Widerstand flüchten.

Man denkt an Pittlers Serienhelden, den jüdischen Polizisten Bronstein ("Tacheles", "Ezzes"...). Zwar würde er hier gut passen, aber es ist nicht seine Show. Es ist das Porträt einer Epoche.

Zwei Porträts folgen, ab 1945 bzw. ab 1983 – und schon jetzt haben wir in Schreckenszeit mit Vergnügen gelernt: "Gnädiger Herr" ist die falsche Anrede für den Mann in der Beheimgasse: "Ham s’ da ins Hirn gschissen? I bin da Hausmasta, hast mi?"


Andreas Pittler:
„Wiener Kreuzweg
Echomedia Verlag..
367 Seiten. 19,80 Euro.

KURIER-Wertung: ****

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