"Der ewige Kaiser": Mythos der Monarchie
Joseph Roth schwärmte noch im März 1928 von längst vergangenen Zeiten "unter dem gnadenlosen Glanz seiner Majestät". Also des Kaisers, der schon als kleiner Erzherzog Kriegsspielzeug gern hatte, als Erwachsener dann einen ganzen Kontinent in den Krieg führte und damit sein eigenes Imperium zerstörte.
Der Kaiser politisch
Zum 100. Todestag des Monarchen, der mit einer Regierungszeit von fast 68 Jahren jeden anderen Regenten seiner Zeit übertroffen hat, zeigt die Österreichische Nationalbibliothek (ÖNB) im Prunksaal am Josefsplatz die Schau "Der ewige Kaiser. Franz Joseph I. 1830–1916" (bis 27. 11.).
Aus der historischen Distanz soll dabei, so die ÖNB-Generaldirektorin Johanna Rachinger, "ein dem heutigen Wissensstand entsprechendes Bild des Mannes skizziert werden", der die Symbolfigur des alten Europa war – eine öffentliche Figur von Kindheit an und bis zu seinem Tod 1916 die wohl am häufigsten abgebildete Person des 19. Jahrhunderts.
Sein allgegenwärtiges, scheinbar zeitloses Gesicht war das einzig bindende Symbol des zerfallenden Habsburgerreiches.
Der Kaiser privat
Die ÖNB verfügt allein über mehr als 10.000 Fotografien, Grafiken und andere Lebensdokumente von Franz Joseph I. "90 Prozent der Exponate wurden seit dem Ende der Kaiserzeit noch nie öffentlich gezeigt", sagt Rachinger.
Es gehe nicht darum, "einen Habsburger-Mythos zu beschwören", sondern "ein aus historischen Quellen destilliertes objektives Bild des Kaisers in seiner politischen Rolle nachzuzeichnen und seine symbolische Rolle in mehr als einem halben Jahrhundert österreichischer Geschichte aufzuzeigen".
Zu sehen sind u. a. Zeichnungen und Schulaufsätze des jungen Erzherzogs, wertvolle Geschenke, Bücher und Zeitschriften aus der Privatbibliothek des Kaisers und das einzige existierende Foto um 1860, das Franz Joseph mit Elisabeth und der Familie zeigt, außerdem die Briefe an Katharina Schratt aus dem Nachlass der Freundin des Kaisers und ehemaligen Hofschauspielerin.
Eine Installation mit 86 Franz-Joseph-Porträts aus 86 Lebensjahren auf einer zehn Meter langen Wand als optischer Höhepunkt der Schau demonstriert eindrucksvoll, wie wichtig die Bilder seiner Person für die politische Propaganda und die Entstehung des Habsburg-Mythos waren.
Doppelselbstmord
Schließlich sind die verloren geglaubten und erst 2015 in einem Banksafe entdeckten originalen Abschiedsbriefe von Mary Vetsera mit dem Kuvert des Kronprinzen Rudolf erstmals öffentlich ausgestellt. Die Geliebte des Kronprinzen ging mit ihm am 28. Jänner 1889 in Mayerling in den Tod und schrieb: "Liebe Mutter – Verzeih mir was ich gethan. – Ich konnte der Liebe nicht wiederstehen. In Übereinstimmung mit Ihm will ich neben Ihm im Friedhof von Alland begraben sein. – Ich bin glücklicher im Tod als im Leben. Deine Mary."
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