Der Doktorand als Doktor - und Direktor der KHM-Gemäldegalerie

CORONAVIRUS: KUNSTHISTORISCHES MUSEUM WIEN GESCHLOSSEN
Trenklers Tratsch: Hätte Peter Kerber zum Direktor der Gemäldegalerie des Kunsthistorischen Museums bestellt werden dürfen?

Vor gut einem Jahr gab das Kunsthistorische Museum in einer Aussendung bekannt, dass „Herr Dr. Peter Kerber mit 1. Juli 2021 die (...) vakante Stelle des Direktors der Gemäldegalerie“ antreten werde. Sabine Haag freue sich „außerordentlich“. Die Generaldirektorin freute sich derart, dass sie eine neue Funktion schuf: Kerber wurde auch Leiter der Sammlungen und Forschung.

 

Die Freude ist derzeit etwas getrübt. Und das kam so: Anfang März wurde der deutsche Plagiatsgutachter Martin Heidingsfelder informiert, dass von Kerber, eigentlich Hans Peter Björn Kerber, an der Uni München, wo dieser studiert hatte, keine Dissertation ausgeliehen oder eingesehen werden könne. Heidingsfelder nahm Recherchen auf und setzte seinen österreichischen Kollegen Stefan Weber in Kenntnis.

Tatsächlich war keine Dissertation auffindbar, wiewohl Kerber bereits im Februar 2014 die Promotionsprüfung abgelegt haben soll – noch dazu „magna cum laude“. Der Fall begann Stefan „Sherlock“ Weber zu interessieren. Und er zitierte gegenüber seinem Watson, Ihrem Tratschpartner, aus der Promotionsordnung der Uni: Die Dissertation ist „innerhalb eines Jahres“ nach Bestehen der Doktorprüfung in angemessener Weise der Öffentlichkeit zugänglich zu machen. In besonderen Fällen könne die Frist auf drei Jahre verlängert werden, „wenn ein begründeter Antrag der Doktorandin oder des Doktoranden“ eingeht. Bei Nichterfüllung innerhalb der drei Jahre „erlöschen die durch die Doktorprüfung erworbenen Rechte“.

 

Das bedeutet: Spätestens 2017 hätte die Diss zugänglich gemacht sein müssen. Da dies nicht passierte, darf sich der „Doktorand“ nicht „Doktor“ nennen. Das KHM hatte den neuen Leiter aber als „Dr. Peter Kerber“ präsentiert. Und auf Webseiten des Museums ist von einem „Dr. Peter Kerber“ die Rede. Die Recherchen von Heidingsfelder dürften aber dazu geführt haben, dass Kerber auf der Liste der „wissenschaftlichen MitarbeiterInnen“ plötzlich ohne Titel aufscheint – als einer von nur neun Personen (die meisten sind Restauratoren) unter mehr als 70.

Ihr Tratschpartner bat Sabine Haag um Aufklärung. Es geht ganz einfach um die Frage: Hat sich Peter Kerber als Doktor für den Job beworben? Oder hat das KHM ihn zum Doktor erklärt? Denn in der Ausschreibung wurde als Anforderung ein „abgeschlossenes Hochschulstudium der Kunstgeschichte (PhD)“ verlangt. Haag zeigte sich leider wenig kooperativ. Sie spielte rigoros auf Zeit. Und tatsächlich: Vergangenen Freitag wurde Kerbers Diss über Pompeo Batoni online veröffentlicht – mit dem Datum 2022.

Haag meint, dass der Fall, weil applaniert, nun keine Geschichte mehr sei. Doch leider nein, dem ist nicht so. Denn Kerber wurde 2021 bestellt. Damals hatte er nicht den PhD (Doctor of Philosophy) bzw. Doktortitel. Kerber hätte also, vermutet Weber, nicht bestellt werden dürfen. Beziehungsweise: Eigentlich hätte eine Person den Job bekommen müssen, die den Anforderungen entspricht. Dass sie nun das Nachsehen haben soll: Das ist ziemlich unfair.

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