Denkt denn jeder nur an den eigenen Vorteil?
"Unterleuten" ist die Bühne, auf der die Leute stehen, die das Gefühl haben, etwas bekommen zu MÜSSEN.
Sie hätten einen Anspruch gegenüber der Welt.
Es ist demnach ein großes Gedränge auf der Bühne.
Zum Beispiel die Städter, die sich im Dorf niedergelassen haben, auf der Suche nach Idylle: Eine Pferdezucht wollen sie aufbauen samt Reithalle und Stallungen.
Es darf nicht wahr sein, dass ihnen das dafür notwendige zusätzliche Grundstück nicht verkauft wird.
Oder der Schrotthändler: Er verbrennt alte Autoreifen genau an der Grenze zu einem schönen Garten, wo ein Baby spielt. Sollen alle etwas haben von dem Gift?
Unterleuten ist ein (fiktives) Dorf in der ehemaligen DDR, in Brandenburg, eine knappe Autostunde von Berlin entfernt. Aber vermutlich gibt es überall solche Orte – immer, wenn man, wie der Titel sagt, unter Leuten ist, besteht Gefahr. Einen Unterschied gibt es: In einem Dorf im Osten Deutschlands leben – zumindest laut Wahlergebnissen – mehr Kommunisten, die angesichts einfallender Kapitalisten wehmütig an alte Zeiten denken.
Und bestimmt leben dort Opfer des DDR-Regimes.
So wichtig
"Unterleuten" ist der erste Gesellschaftsroman der preisgekrönten, kämpferischen Juli Zeh. Mit rund 650 Seiten hat sie gleich ausprobiert, ob sie lang durchhält. Ab der Mitte deutet sie sogar einen Thriller an. Tut dem Buch gut. Sprachlich hat sie sich nicht überanstrengt.
Es ärgert Juli Zeh, wenn der eigene Vorteil über das Allgemeininteresse gestellt wird. Es wundert sie, weshalb sich viele derart wichtig nehmen.
In "ihr" Dorf bringt sie, als Draufgabe zu den Animositäten, das Projekt eines Windparks. Zehn 140 Meter hohe Windräder sollen in Position gebracht werden.
Sofort schreit ein Vogelfreund, die Rotorblätter töten seien tödlich. Sofort heißt es, die schöne Aussicht werde gestört. Gleichzeitig haben Grundstückseigentümer Eurozeichen in den Augen: Der Windpark könnte auf ihrem Stück Wald entstehen.
Man kann sich "Unterleuten" tatsächlich gut im Theater vorstellen. Massenhaft Dialoge sind schon da.
Juli Zeh lebt mit ihrer Familie längst selbst in einem Dorf in Brandenburg; und freut sich, wie rücksichtsvoll dort alle Bewohner miteinander umgehen.
Das ist halt kein so tolles Thema für einen dicken Roman.
Juli Zeh:
„Unterleuten“
Luchterhand Verlag.
640 Seiten.
25,70 Euro.
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