Den Vereinigten Bühnen Wien fehlen Strategie und Auftrag

Der Zuschussbedarf pro Besucher war äußerst gering: "Ich war noch niemals in New York"
Der Bericht des Wiener Stadtrechnungshofes über die Vereinigten Bühnen Wien liegt vor. Hier die Erkenntnisse.

Lange hat es gedauert. Denn bereits im Dezember 2017 stellte die ÖVP das Ansuchen, die Vereinigten Bühnen Wien (VBW) hinsichtlich Rahmenbedingungen, Zukunftskonzepten und Kenndaten zu prüfen. Doch nun liegt der Bericht des Wiener Stadtrechnungshofes vor: Er wird am Vormittag des 15. März veröffentlicht. Und er ist mit 136 Seiten recht üppig ausgefallen. Sensationelle Ergebnisse aber muss man mit der Lupe suchen. Denn der StRH arbeitet seriös (und mitunter sehr wortreich) den Fragenkatalog ab. Mehr aber auch nicht.

Die wichtigsten Ergebnisse über den Untersuchungszeitraum 2010 bis 2017 in Kurzform:

Auftrag: Die VBW sind zwar hoch subventioniert (mit etwa 42 Millionen Euro pro Jahr), dennoch gibt es „kein schriftliches Gesamtdokument über den kulturpolitischen Auftrag der Stadt Wien“. Laut mündlichen Angaben läge in der Sparte Musical (im Ronacher und im Raimund Theater) besonderer Wert „auf der Eigenentwicklung erfolgsversprechender neuer Musicalstoffe; die Stücke sollten u.a. auch „zeitgemäße gesellschaftliche Themen“ sowie „musikalische Trends“ ins Auge fassen. Bekanntlich ist derzeit das Singspiel „I Am From Austria“ mit den zum Teil jahrzehntealten Songs von Rainhard Fendrich zu sehen; heuer wird zudem wieder „Cats“, uraufgeführt 1981, gespielt. In der Sparte Oper erfolge die Bespielung im Theater an der Wien mit erstklassigem, zeitgemäßem Musiktheater.

Strategie: Vom ehemaligen Geschäftsführer Thomas Drozda (nun, nach einem Zwischenspiel als Kulturminister, Bundesgeschäftsführer der SPÖ) wurden zwar Zukunftskonzepte erstellt und er bezahlte 78.000 Euro für eine Studie über diverse Szenarien; zu einer Entscheidung oder Umsetzung kam es aber nicht. „Deshalb wurde auch nicht – wie ursprünglich angekündigt – die Subvention signifikant reduziert.“ Ein „über den Zeitraum nach 2017 hinausgehendes gesamthaftes Strategiepapier“ wurde nie erstellt.

Auslastung: Im Theater an der Wien sank zwischen 2010 und 2017 die Zahl der Vorstellungen (von 129 auf 101) – und damit auch jener der Besucher (von 89.636 auf 67.386). Im Musicalbereich gibt es keine eindeutige Tendenz; im Durchschnitt zählten die beiden Häuser pro Jahr etwa 467.648 Besucher. Die Auslastung lag bei 83,7 Prozent (im Raimund Theater) bzw. 85,8 Prozent (im kleineren Ronacher).

Finanzbedarf: Der durchschnittliche Eigendeckungsgrad lag in der Oper bei 21,9 Prozent, im Musical bei 55,7 Prozent. In der Oper wurde jeder Besuch mit durchschnittlich 255 Euro subventioniert, im Musical mit 41 Euro. Hier lohnt ein Blick in die Details: Bei „Ich war noch niemals in New York“ lag der Finanzbedarf pro Besuch bei nur 27,40 Euro, beim Megaflop „Natürlich Blond“ hingegen bei 126,35 Euro. Am besten ausgelastet war „Mary Poppins“ mit 91,7 Prozent.

Entlohnung: Im Zusammenhang mit dem Vertrag von Franz Patay, dem neuen Geschäftsführer, hält der StRH fest, dass die Entlohnung „beginnend mit seiner Tätigkeit im Jahr 2016 höher als jene in vergleichbaren Einrichtungen (Staatsoper, Volksoper) war“. Um wieviel, verschweigt der StRH galant. Staatsoperndirektor Dominique Meyer verdient jedenfalls an die 300.000 Euro jährlich, sein Co-Direktor Thomas Platzer bedeutend weniger. Patay dürfte also inklusive Erfolgsprämien auf etwa 250.000 Euro kommen. 

International: Die internationale Vermarktung der VBW-Musicals wie „Elisabeth“ und „Tanz der Vampire“ bringt jährliche Umsatzerlöse zwischen 5,6 und 8,5 Millionen Euro. Der gescheiterte Versuch, „Rebecca“ am Broadway zu zeigen, kostete 340.000 Euro.

Spielstätten: Zur Frage, ob es sinnvoll sei, die von der Kapazität her fürs Musical zu kleinen Häuser Ronacher und Raimund Theater zu bespielen, äußerte sich der StRH nicht. Die Weiterführung sei eben eine kulturpolitische Entscheidung. Und die kostet Geld: Laut VBW verursachen die historischen Gebäude jährliche Kosten von je drei Millionen Euro!

Personal: Zum Schluss noch ein Lob: Der StRH würdigt den eingeschlagenen Konsolidierungspfad bei den Personalaufwendungen im Untersuchungszeitraum um 2,3 Prozent. Wenn man mitbedenkt, dass gleichzeitig die Gehälter stiegen, konnte eine Gesamtreduktion von über 20 Prozent erzielt werden.

Empfehlungen: Der StRH formulierte insgesamt zwölf Empfehlungen. Die VBW setzten die meisten bereits um – oder versprachen die Umsetzung. Interessant ist Empfehlung Nr. 8: Weil das Musical ein sehr volatiles Geschäft sei, empfahl der StRH von Dreijahresverträgen abzugehen – und die Subventionshöhe nur auf zwei Jahre zu fixieren.

In einer ersten Reaktion auf den Bericht seziert Thomas Weber, Kultursprecher der Neos, die Zuständigkeiten: "Die VBW sind zwar organisatorisch durch die Wien Holding an die MA 5 gebunden, die jährliche Förderung in Höhe von aktuell 40,2 Millionen Euro stammt jedoch von der MA 7. Während die MA 5 durch quartalsweise Reportings sehr wohl über die wirtschaftliche Situation des Theaterkonzerns informiert war, erhielt die MA 7 - ob bewusst oder unbewusst - keine Berichte." Diese Nicht-Information bezeichnete Weber als "fahrlässig". Sein Resümee: "Mit welcher Intransparenz und mangelnder Kommunikation hier innerhalb der Stadt Wien gearbeitet wird, ist absolut unprofessionell.“ Die ÖVP – Stadtrat Markus Wölbitsch und Kultursprecher Fritz Aichinger – sieht sich in ihrer Kritik bestätigt: Die VBW seien „konzept- und ideenlos“.

 

Kommentare