Und egal, wofür man Deichkind liebt, ob für Sozialkritik oder fürs Partymachen: Mittwochabend bekam jeder, was er suchte. Gelegenheit zum Mitgrölen und Kollektivhüpfen bei Hits wie „Arbeit nervt“ oder „Lecko mio“ (vor deutscher Flagge performt). Zum Lachen, das im Hals stecken bleibt, etwa bei „In der Natur“ – wo man mit Tschernobyl-Anzügen durch eine rot schimmernde Endzeit-Atmosphäre stapft. Oder beim Fake News-Song „Wer sagt denn das?“, in dem die Bühnenwelt in strenges Schwarz-Weiß getaucht wird und die Performer sinnigerweise sträflingskleidungsähnliche Anzüge tragen. Oder zum über sich selbst Lachen bei „Kids in meinem Alter“, zu dem Frontman Philipp Grütering im „Patagonia“-Anorak aus dem Himalaya-Selbstfindungs-Zelt heraus irgendwas von „Granola, Hipster, Pinterest des Grauens“ erzählt. Apropos Bühnenshow, apropos Frontman: Die offiziell aus drei Mitgliedern bestehende Band ist auf der Bühne meist als siebenköpfiges anonymes Kollektiv zu sehen. Bekannt für außergewöhnliche Bühnenshows, liefert die Truppe auch dieses Mal – Kostümwechsel, Lichtshow und Requisiten-Orgie inklusive.
Zu „Roll das Fass rein“ singt man von einem riesigen Fass herunter, das durch die Zuschauermenge rollt – oben schwenkt eins der anonymen Deichkinder eine Fahne: „Kein Bier für Nazis“. Zur Konsumkritik in „Auch im Bentley wird geweint“ reitet man auf einer gigantischen Chanel-Tasche, am Ende der Show tummeln sich Lieferando-Radler wie apokalyptische Reiter auf der Bühne.
Abgenützt hat sich das Mega-Tam-Tam in den gut zwei Stunden nicht. Auch, weil’s dazwischen viel zum Nachdenken gibt, etwa, wer da jetzt wohl wieder zitiert wird. Monoton-roboterartige Choreografien vor rotem Hintergrund erinnern an Kraftwerk, auch Daft Punk-Zitate gibt’s und viel gewitzter als das Original von Marilyn Manson („Beautiful People“) ist, was Deichkind draus machen: „Bude voll People“.
Deichkind-Konzerte sind wie Adorno im Tagada lesen. Hüpfend darüber nachdenken, dass es kein richtiges Leben im falschen gibt.
Sie haben versprochen, sie kommen bald wieder. Yippie Yippie Yeah.
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