DDR-Roman als TV-Zweiteiler

DDR-Roman als TV-Zweiteiler
Uwe Tellkamps DDR-Roman „Der Turm“ wurde zum Film: Hauptdarsteller Jan Josef Liefers über Leben im Stasi-Land.

Nachher kann man darüber lachen. So wie Jan Josef Liefers, wenn er über das Ritual des Schlangestehens in der DDR erzählt. Die Erfahrung lehrte: Hatte sich im Arbeiter- und Bauernstaat irgendwo eine Menschenmenge versammelt, gab’s sicher was Sensationelles zu kaufen. So erstand, einfach weil er anstand, Teenager Liefers einmal eine Schallplatte. Udo Jürgens’ "Griechischer Wein" um fünf DDR-Mark.

Brrrr! "Aber meine Mutter hat sich sehr gefreut ..."

Eine ähnliche Anekdote erzählt Uwe Tellkamp in seinem Bestseller "Der Turm". 2008 wurde der 1000-Seiten-Roman mit dem Deutschen Buchpreis ausgezeichnet. 750.000 Exemplare wurden verkauft. Literaturkritiker beschrieben die Dresdner Familiengeschichte als "die neuen Buddenbrooks". In der Süddeutschen stand: "Wenn spätere Generationen fragen, wie Alltag in der DDR war, braucht man ihnen nur dieses Buch in die Hand zu drücken." Produzent Nico Hofmann verarbeitete die Vorlage zum TV-Zweiteiler (heute und morgen, ARD, 20.15; heute folgt um 21.45 "Der Turm – Die Dokumentation", in der Zeitzeugen und Vorbilder für die Romanfiguren zu Wort kommen).

Bis zum Mauerfall

"Turm" nannten linientreue Dresdner abfällig ein auf einer Anhöhe gelegenes Jugendstilvillenviertel, dessen Bewohner lebten, als ob sie der reale Sozialismus nichts anginge. Ihr Schicksal in den Jahren 1982 bis zum Mauerfall 1989 schildern Buch und Film.

Jan Josef Liefers, selbst in Dresden geboren, aufgewachsen allerdings in einem der "Arbeiterschließfächer" genannten Plattenbauten, spielt die Hauptrolle, den Chirurgen Richard Hoffmann. Einen Durchlavierer durchs System, der sein Bildungsbürgertum pflegt, der kein Parteibuch, dafür aber eine Geliebte hat – und dem daher die Stasi auf die Füße tritt. Er soll Spitzel werden ...

"Das könnte nahtlos die Geschichte eines ehemaligen Nachbarn sein", sagt Liefers über seine Rolle. Wie Hoffmann sich mit kleinen Tricks dem Parteigenossengeschwätz entzieht, wie man sich in feindlicher Umgebung eine Insel, einen individuellen Freundeskreis schafft, wie man Würde im allgegenwärtigen Verfall bewahrt, das alles kennt der Schauspieler.

"Kompliziert war’s, einen Weg einzuschlagen, der einen nicht zum Märtyrer, aber auch nicht zum kritiklosen Mitläufer machte. Man versuchte, einigermaßen glücklich zu sein, ohne dass es einen den Kopf kostete, aber auch ohne dass man sich allzu sehr verbiegt. Man konnte sich eine Menge trauen, aber wenn das Maß voll war, gab’s die ganze Härte der Firma Horch-und-Guck zu spüren."

Im Stasi-Knast in der Bautzener Straße.

Und wie denkt Liefers über die Wiedervereinigung? "Unser tragischer Irrtum war zu glauben, dass jetzt alle einen Platz an der Sonne bekämen. Es war hart zu sehen, dass die besten Plätze vergeben waren. Und hinter jedem eine Schlange stand."

Vorausgesehen

"Der Turm", Mittwoch, 20.15, ARD D 2012. Von Christian Schwochow; mit Jan Josef Liewers, Claudia Michelsen, Nadja Uhl, Peter Sodann.

Der ultimative DDR-Roman. 1000 Seiten. Das Lesezeichen ein vierseitiges Personenregister. Unverfilmbar. Sollte man meinen. Doch Regisseur Christian Schwochow und Drehbuchautor Thomas Kirchner treten den Gegenbeweis an. Ihr TV-Zweiteiler verknappt, komprimiert die Handlung zwar, doch ohne Beschädigung. Erhalten blieben der galgenhumorvolle Tonfall Tellkamps und die fühlbare Beklemmung, niemandem trauen, sich nie öffnen zu dürfen.

Die Darsteller sind großteils Dresdner. Sie spielen unaufgeregt aufrichtig. Weil die Geschichte eine ist, die sie so oder so ähnlich kennen. Authentizität, die der Sache guttut.

KURIER-Wertung: ***** von *****

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