Bowie-Schau: Hommage an ein visionäres Multitalent

Kirlian-Fotos, handgeschriebene Texte, Kostüme,Videos: Ein Streifzug durch die Londoner Sensations-Ausstellung "David Bowie is".

Im größten und letzten Raum der „David Bowie is“-Ausstellung im Londoner Victoria and Albert Museum herrscht feierliche Stimmung: Auf drei riesigen Leinwänden sind Videos des innovativsten Rockmusikers zu sehen: David Bowie singt „Heroes“, live im Madison Square Garden. Oder er interpretiert - blass wie Deckweiß - in einem Konzertmitschnitt aus den mittleren 70er-Jahren den Klassiker „Five Years“ und hängt sich im Video zu "Jean Genie" lässig und lasziv auf die Schulter seines Gitarristen. Londoner und Besucher aus der ganzen Welt stehen davor, singen mit, tanzen, oder lauschen still auf den Bänken sitzend – geplättet von all dem, was sie gerade gesehen haben.

Spektakulär

Bowie-Schau: Hommage an ein visionäres Multitalent
In diesem Anzug trat David Bowie 1972 bei der BBC-Show "Top Of The Pops" mi t dem Song "Starman" auf

"David Bowie is" hat sich zur Aufgabe gemacht, Bowies Verbindungen mit und Einflüsse von und auf Mode, Grafik, Theater, Kunst und Film zu erforschen. Das tut die zum überwiegenden Teil aus dem eigenen Archiv des visionären Künstlers zusammengestellte Schau mit handgeschriebenen Songtexten, Skizzen und Entwürfen zu Outfits, Bühnendesign, den von Bowie handgezeichneten Storyboards für Videos und den spektakulärsten Kostüme.

Da ist der Pierrot-Anzug aus dem bahnbrechenden Video zu „Ashes To Ashes“, viele der vom japanischen Kabuki-Theater beeinflussten Ziggy-Stardust-Outfits und der Union-Jack-Mantel vom „Earthling“-Cover, den Bowie sich von Alexander McQueen schneidern ließ, als den noch keiner kannte.

Was die enorm erfolgreiche Ausstellung so spannend macht: Immer wieder wird der Bezug zur Zeit, zu anderen Künstlern oder Bowies Interessen hergestellt. Über Kopfhörer werden im ersten Raum, der Bowies Kindheits- und Jugend-Einflüssen nachspürt, alte Interview-Schnipsel eingespielt. Er erzählt, dass er lange nicht wusste, ob er Musiker oder doch lieber buddhistischer Mönch werden soll. Dass er Jazz hörte, weil er es kultig fand - so lange, bis er ihm tatsächlich gefiel. Und dass er immer schon viel lieber zu Hause in seinem Zimmer saß, versponnen in Visionen und Ideen, als wie andere über den Fußball-Platz zu toben.

Später wird die Sektion des Durchbruchs im Musikbusiness unter anderem von Kirlian-Fotos komplettiert. Das ist eine Art Auro-Fotografie mit der Bowie in der Zeit seiner Drogensucht seinen Daumen vor und nach dem Kokainkonsum ablichtete. Dazu gibt es einen Ausschnitt aus dem Michael-Apted-Film "Inspirations", in dem Bowie das Programm erklärt, mit dem er die schon immer geliebte Cut-Up-Technik von William Burroughs mit dem Computer nachahmen konnte. Außerdem ein Paket „Oblique Strategies“ von seinem Freund Brian Eno, ein Set von Spielkarten, die Bowie gerne hernahm, um kreative Blockaden zu lösen.

Berliner Zeit

Zwei Nebenräume sind Bowies Arbeit als Schauspieler und seiner Zeit in Berlin gewidmet. Dorthin zog er sich Mitte der 70er-Jahre zurück, wohnte als Nachbar von Iggy Pop in dem Arbeiterviertel Schöneberg, um von den Drogen loszukommen. Viel gemalt hat er dort, weshalb hier auch einige Bowie-Gemälde hängen. Und so schön antik: Der uralte Synthesizer - wohl einer der ersten -, den Bowie für die Aufnahmen des legendären "Heroes"-Albums verwendet hat.

Unglaublich, denkt man, wenn man danach in diesen letzten „Live-Show“-Raum stolpert. Unglaublich, wie vielfältig interessiert und talentiert dieser Mann ist und so über so viele Jahre – für sich und für uns – immer wieder Neues er- und gefunden hat.
Und dann strahlt er da von diesen Leinwänden, in Power-Sound und Gigantengröße, singt all diese einzigartigen Melodien, die er immer so scheinbar mühelos aus dem Ärmel geschüttelt hat, und plötzlich weiß man: So effektiv und elegant hat kein anderer je Kompositions-Genie mit optischem Ausdruck verbunden. Egal ob man „Heroes“, „Jean Genie“ und „Five Years“ dann still im Sitzen, oder lauthals mitsingend genießt – es ist erfüllt mit Ehrfurcht.

Die Ausstellung „David Bowie is“ im Victoria and Albert Museum läuft noch bis 11. August. Nach
London wird sie in Sao Paulo und Toronto zu sehen sein. Wegen des großen Andrangs in London werden täglich ab 10 Uhr 450 Tickets ausgegeben, die nur zu den angegebenen Zeiten gelten.
Alle weiteren Infos gibt es auf vam.ac.uk.

Kommentare