"Das weite Land" im falschen Film

"Das weite Land" im falschen Film
Kritik: Alvis Hermanis zeigt an der Burg Arthur Schnitzlers "Das weite Land" als Film noir. Und wird dafür heftig ausgebuht.

Es geht sich nicht aus. Beim besten Willen nicht. Und zwar nicht einmal deshalb, weil im Film noir eher selten auf "Aigner Türme" berggewandert wird und so gut wie nie Fähnriche der Marine zu Südsee-Expeditionen aufbrechen wollen. Es geht sich nicht aus, weil es nie geht, monothematische Konzepte käseglockig über schillernd Vielschichtiges zu stülpen. Noch dazu, wenn der Aufschichter Arthur Schnitzler war.

Sex & Crime

Regisseur Alvis Hermanis hat dessen "Weites Land" also als Film noir interpretiert. Das passt auf den ersten Blick gut. Mit den moralisch fragwürdigen Antihelden, den Femmes fatales, Betrügereien, Sex & Crime. Hermanis hat seine wie immer detailverspielte Inszenierung durchkomponiert. Er zieht seine Idee durch. Eisern. Das beginnt mit Thrillermusik, vom Wind geblähten Vorhängen, sinistren Schatten hinter Jalousien, alles in Schwarz-Weiß-Grautönen. Und endet mit dem Duell Hofreiter/Otto, das nicht gezeigt wird, sondern stattdessen auf Leinwand eine Schießerei aus "Der dritte Mann". Dazwischen wird alles gepackt, was "Suspense!" oder "Whodunit?" oder "Hände hoch, du Genre!" schreit.

Die Frauen, Dörte Lyssewski als Genia, Katharina Lorenz als Erna, sind delikat, lasziv, nervös, und rekeln sich über die Requisiten, bis das Strumpfband blitzt. Die Männer sind ganze Kerle, hart, verhärmt, und nehmen den Hut nur ab, um sich die Haare glatt zu streichen.

Spillane & Selfman

Jeden Moment muss jetzt Mickey Spillane um die Ecke biegen. Zumindest jedoch der Selfman. Billardstöße und Bananen werden für erotische Ersatzhandlungen verwendet. Hofreiters abgelegte Geliebte Adele (Stefanie Dvorak, vom Wahnsinn umzingelt) will ihn mit einem Stromkabel erdrosseln. Falk Rockstroh versucht als Doktor Mauer seinen Patienten letzte Geheimnisse per Sigmund-Freud'scher Hypnose abzuringen. Ein kühnes Unterfangen, bei einer Inszenierung, die letztlich geheimnislos ist. Obwohl dank dieser "Gags" viel gelacht wird. Vom selben Publikum, das später in einen Buh-Orkan ausbrechen wird.

Die Farbe Grau ist ungesättigt. Das war auch das Burgensemble. Eingezwickt in Hermanis' Rollenstereotype ging ihm nach und nach das Gestaltungsrepertoire aus. Es ist beinah eine Kunst, Größen wie Dene, Kirchhoff, Reinke, Knaack so uninspiriert zu lassen. Lucas Gregorowicz als Marineoffizier Otto etwa fehlt alles, was man zu k.u.k. Zeiten Schneid nannte. Peter Simonischek als Hofreiter rettet sich (allein schon durch seine Art die Sätze zu betonen) in den Mutter-Witz.

So wird der Text leicht hingesprochen. Die Gesellschaft spielt, nichtige Konversation und tändelnde Posen. Wenig Spur von Schnitzler, dem Meister der indirekten Aussage. Allein Michael König zeigt mit seinem Auftritt als Doktor von Aigner, dass da ein Dämon lauert. Ihm gehört er aber auch, der Satz: Die Seele ist ein weites Land.

Fazit: Konzept allein ist auch nicht fein

Stück Uraufgeführt 1911: Glühbirnenfabrikant Friedrich Hofreiter, ein notorischer Fremdgänger, sieht einen Seitensprung seiner Frau gar nicht locker. Er fordert den Nebenbuhler zum Duell, tötet ihn und ruiniert damit auch sein Leben.

Regie Konzept allein ist auch nicht fein. Grau ist ja bekanntlich alle Theorie.

Darsteller Großteils so farblos wie die Inszenierung.

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