Das Volkstheater bietet Theater für die Völker an. Gut so.
Politiker, besonders Kulturpolitiker, fahren nicht so viel mit der U-Bahn. Sie vernehmen daher nicht das Sprachenwirrwarr, in dem das Österreichische für manche unterzugehen droht. Und sie wollen nicht zur Kenntnis nehmen, dass es längst Parallelgesellschaften gibt. Schon vor Jahren hätte die Politik reagieren – und subventionierte Institutionen verpflichten müssen, Programm auch für nicht Deutsch sprechende Bevölkerungsgruppen anzubieten (die ja auch Steuern zahlen).
Darunter zum Beispiel das Theater der Jugend in Wien. Es rühmt sich, mit knapp 47.000 Abonnenten "das größte Theater für Kinder und Jugendliche Europas, wahrscheinlich der Welt" zu sein. Gemeint sind aber nicht die Jugendlichen Europas oder gar der Welt. Thomas Birkmeir, seit 15 Jahren künstlerischer Leiter, lässt beharrlich in der Amtssprache Deutsch (beziehungsweise in der heimischen Varietät) inszenieren. Der schon vor langem von Ihrem Tratsch-Partner unterbreitete Vorschlag, Stücke mit anderssprachigen Zweitbesetzungen oder zumindest mit Übertitelungen in Türkisch und Arabisch anzubieten, wurde abgeschmettert. Zu teuer, zu kompliziert. Und überhaupt: Wo kommen wir denn da hin?
Erstaunlicherweise ist es gerade das ehemals "Deutsche Volkstheater", das nicht mehr nur für Deutsch sprechende Menschen den Lappen hochgehen lässt: In der laufenden Saison zeigt Direktorin Anna Badora laut einer Aussendung gleich "sechs Produktionen mit Übertiteln in insgesamt fünf verschiedenen Sprachen".
Das ist zwar etwas missverständlich ausgedrückt. Denn man kann als Zuschauer nicht zwischen fünf Sprachen wählen. Aber das Volkstheater bietet zumeist eine Übertitelung in Englisch an – und in einer weiteren, zur Produktion passenden Sprache. Bei "Die Zehn Gebote" nach den Filmen von Krzysztof Kieślowski – Premiere ist heute, 15. Dezember – also in Polnisch. Bei Lessings "Nathan der Weise" gibt es Übertitel in Arabisch (logisch wäre zudem Hebräisch), bei "Das Missverständnis" von Albert Camus in Französisch. Und am 2. März folgt Shakespeares "Viel Lärm um nichts" mit englischen und serbokroatischen Übertiteln.
Fehlt nur noch viel auf Türkisch! Zudem müsste man die nicht Deutsch sprechenden Menschen über das Angebot in Kenntnis setzen. Die Website des ehemals "Deutschen Volkstheaters" gibt es aber nur – auf Deutsch. Schade. Denn es wäre in Wien wohl ein beachtliches Besucherpotenzial vorhanden. Und das Volkstheater könnte durchaus mehr Zuschauer vertragen. Der Saal ist bei manchen Vorstellungen von "Iphigenie in Aulis / Occident Express" in Badoras Regie nicht einmal zu einem Drittel gefüllt.
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