Das Vermächtnis von Amos Oz: Humor und Neugier gegen Fanatiker

Das Vermächtnis von Amos Oz: Humor und Neugier gegen Fanatiker
Sein letztes Buch zu Lebzeiten: Der israelische Schriftsteller hinterließ eine Menge Rezepte gegen Gewalt .

Amos Oz (Foto), der in der vergangenen Woche verstorbene bedeutendste Schriftsteller Israels (und Friedensaktivist, „Make peace, not love“), hat seinen drei Enkelkindern ein besonderes Buch hinterlassen und gewidmet.
Es ist 2018 auf Deutsch erschienen.

Umarmung

Sein letztes Buch zu Lebzeiten. Zeitgleich mit seinen allerersten Erzählungen, „Wo die Schakale heulen“ (1965), die sehr spät übersetzt wurden: über die Zeit im Kibbuz, über Menschen, die sich ungern berühren lassen, aber von Umarmung träumen.
Die ersten Blitze  in die Seelen, schon damals sagenhaft erhellend.
Amos Oz kämpfte gegen Fanatismus; und ortete ihn nicht allein bei Al Kaida und IS, bei Neonazis und Antisemiten. Das seien bloß die sichtbaren Fanatiker.
Weniger auffällig blitze Fanatismus im Alltag auf: Fanatische Nichtraucher, fanatische Vegetarier und ...
„Einige meiner Kollegen aus der Friedensbewegung würden mir am liebsten eine Kugel in den Kopf jagen, nur weil ich eine andere Vorstellung habe hinsichtlich der Strategie, Frieden zwischen Israel und Palästina zu stiften.“ Amos Oz trat für die Zweistaatenlösung ein.
Davon handelt „Liebe Fanatiker“ (Buchtitel, Suhrkamp Verlag) und bemüht sich um Antworten.
Es sind drei Plädoyers für den Dialog. Es sind Versuche, Fanatiker zu kurieren.
„Ich habe nie Fanatiker kennengelernt, die Humor haben.“
Keinen, der über sich selbst lachen kann.
Humor sei ein Mittel zur Mäßigung. Könnte man ihn in Tabletten pressen, wären Menschen zu heilen.

Ja oder nein?

Und Neugier und Fantasie, meint Oz, könnten eine Teilimmunisierung gegen Fanatismus bewirken:
Wer sich hinter Parolen wie „Man muss alle Bösen vernichten“ verschanze, gehöre herausgelockt, indem man ihn mit einzelnem Leid, mit Schreien, Flehen, Todesstöhnen, Blutlachen konfrontiere. In der Art: Sie wollen alle töten? Alle? Da oben ist noch ein Baby! Es weint. Es hat Hunger. Gehen Sie hinauf und erschießen es? Ja oder nein?!?

 

Zitiert

Alle folgenden Zitate stammen aus dem Buch „Liebe  Fanatiker“, übersetzt von Mirjam Pressler, Suhrkamp Verlag, 143 Seiten, 18,50 Euro.

„Ein Fanatiker ist ein Mensch, der nur bis eins zählen kann.“


„Viele vergessen, dass der radikale Islam kein Monopol auf gewalttätigen Fanatismus hat.“


„Fanatismus liegt in der menschlichen Natur, ist ein ,schlechtes Gen’: Alle diejenigen, die Abtreibungskliniken in die Luft sprengen, in Europa Flüchtlinge umbringen, in Israel jüdische Frauen und Kinder ermorden, in den von Israel besetzten Gebieten
ein Haus, in dem sich eine ganze palästinensische Familie aufhält, Eltern mit ihren Kindern, in Brand setzen, alle diejenigen, die Synagogen, Kirchen, Moscheen und Friedhöfe entweihen, unterscheiden sich von Al Kaida und dem IS nur im Ausmaß und in der Schwere ihrer Taten, aber die Natur ihrer Verbrechen ist gleich.“


„Oft entsteht der Fanatismus aus dem glühenden Bedürfnis heraus, sein eigenes Leben durch das Leben eines anderen zu leben: durch das Leben eines Propheten oder Gurus, eines politischen Führers oder eines Glamour-Girls, eines berühmten Künstlers oder Sportstars.“


„Die wachsende Infantilisierung der Menschheit ist kein Zufall: Es gibt Leute, die an ihr ein
Interesse haben, sei es aus Macht- oder aus Geldgier. Wer Werbung betreibt und´diese finanziert, will unbedingt, dass wir alle weder kleine, verwöhnte Kinder werden, denn kleine, verwöhnte Kinder sind diejenigen Verbraucher, die sich am leichtesten verführen lassen.“

 

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