Das schaffen nur Hühner in Nordkorea
Es sagt ein kluger Mann in Korea: "Eine volle Flasche Wasser macht keinen Laut."
Sie macht kein Trara – und ist doch so wichtig.
Wer Trara macht, den kannst sowieso vergessen.
Eine volle Flasche Wasser macht keinen Laut: Das gilt auch für "Die Große Heimkehr", den neuen Roman der 1977 in Südkorea geborenen Anna Kim (die als Zweijährige nach Deutschland kam und als Siebenjährige nach Wien, wo sie geblieben ist).
Unwissen
Ihr Buch über die gebeutelten, erbeuteten Menschen von Korea protzt nicht, täuscht nichts vor.
Auch scheint sich Anna Kim nach "Die gefrorene Zeit" (über den Kosovo) und "Anatomie einer Nacht" (über ein Dorf in Grönland) das Lyrische abgewöhnt zu haben ...
"Eher abgewandt", sagt sie im KURIER-Gespräch. "Ich habe bemerkt, dass die lyrische Sprache recht begrenzt ist. Ich denke, beim Lyrischen findet der Diskurs eher mit sich selbst statt, ich möchte aber eine Diskussion mit den Leserinnen und Lesern führen."
Etwa: Wem gehört Geschichte? Nie den Opfern.
Über den nordkoreanischen Wahnsinn weiß man ein bissl. (Kim Il-sung lockte Bauern sogar mit der Werbung ins kommunistische Land, hier legen Hennen in 28 Stunden fünf Eier!)
Aber beim Süden, da denkt man zu positiv an Wirtschaftswunder und an die absurden Winterspiele 2018.
Man braucht sich für die eigene Ahnungslosigkeit nicht genieren: Auch die Südkoreaner möchten über ihre Geschichte zwischen Nord und Süd mehr wissen.
Man wurde umgebracht, weil man kein Roter war.
Man wurde umgebracht, weil man ein Roter war.
Man wurde in Seoul bis in die 1980er eingesperrt, weil man mit einem Kommunisten VERWANDT war.
Anna Kim konnte – abgesehen von Gesprächen mit Onkel, Tanten – nur mit Mühe für ihr Buch recherchieren:
"Selbst durch die streng anti-kommunistische Ausrichtung der noch aktuellen Regierung wurde ein Offenlegen der Verbrechen während der Kolonialzeit, des Koreakrieges und während der Jahre der Diktatur Park Jung-hees – immerhin Vater der noch nicht zurückgetretenen Präsidentin Park – unmöglich machten. Die Aufarbeitung sei immer von den rechts-nationalen Kräften abgewürgt worden."
"Die Große Heimkehr" funktioniert zum Teil wie ein im Roman verstecktes Sachbuch. Zu den Erinnerungen eines alten Koreaners an Japaner und Amerikaner, an Freund und Freundin dreht sich immer eine Platte von Billie Holiday. Sie brachte nicht nur die Widersprüche der USA zum Klingen.
Anna Kim:
„Die Große Heimkehr“
Suhrkamp Verlag.
558 Seiten. 24,70 Euro.
KURIER-Wertung: **** und ein halber Stern
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