Das neue U2-Album: Dringlich und eindringlich

U2 sind seit 41 Jahren: The Edge, Adam Clayton, larry Mullen und Bono (v. li.)
Seit 2014 angekündigt, heute da: "Songs Of Experience"

"Von der Sterblichkeit gestreift" wurde U2-Sänger Bono Anfang 2016. Was genau passiert ist, sagt er nicht. "Interessanter ist, dass viele Leute solche Momente haben", erzählte er dem britischen Musikmagazin Q. "Momente, in denen alles andere nicht mehr zählt."

Auch wenn diese Zeit für den 57-Jährigen Iren horrend war, dem neuen U2-Album "Songs Of Experience" hat sie gutgetan. Denn wegen dieser Ereignisse ist jeder Song wie ein letzter Brief abgefasst – sei es an die Kinder, die Frau, Freunde oder Fans.

"Songs Of Experience" ist das seit 2014 angekündigte Zwillingsalbum zum damals erschienen "Songs Of Innocence", das thematisch auf Jugenderlebnisse der Musiker zurückgriff. Die Experience-Songs sollten die Meilensteine des Erwachsenen-Lebens von U2 skizzieren. Dieses intellektuelle Konzept wurde aber von Bonos aktueller Situation überholt, wodurch U2 bei "Songs Of Experience" viel dringlicher und passionierter klingen.

Strammer Rock

Das Album beginnt mit dem meditativen "Love Is All We Have Left". Ein einnehmender Einstiegstrack, der aber nicht typisch für den Rest des Albums ist. U2 bauen danach viele Songs auf schlichten Gitarren-Riffs auf und verbinden das mit dem, was ihren eigenen Sound ausgemacht hat: Die schnelle, insistierende Rhythmusgitarre von The Edge.

So ist "American Soul" strammer, bluesiger mitreißender Rock. In dieselbe Kerbe schlägt das ebenso vorwärtstreibende "The Blackout". Weitere Highlights sind das schon vorab veröffentlichte "Get Out Of Your Own Way", eine der besten U2-Nummern seit geraumer Zeit, und die berührende Ballade "Landlady", die Bono für seine Frau Ali geschrieben hat.

Ebenfalls beeindruckend ist das sanfte, auf Klavier-Akkorden basierende "13 (There Is A Light"), das sich mehr und mehr steigert und mit den sphärischeren Klängen wieder an den meditativen Beginn anschließt. Etwas zu poppig ist dagegen "The Showman (A Little More Better)" geraten, während das ebenfalls poppige "Summer Of Love" von einer eingängigen Melodie gerettet wird.

Letzteres spielt auf die Flüchtlingskrise an. Denn selbst wenn er persönliche Dramen zu verarbeiten hat, kann der als Paul Hewson geborene Sänger, der sich unermüdlich gegen die Armut in Afrika einsetzt, es nicht lassen, Politisches einzubringen.

Zuletzt kam Bono allerdings unter Beschuss, weil über die Enthüllungen der "Paradise Papers" ans Licht kam, dass er sich über Briefkasten-Firmen Steuervorteile verschafft hatte. Das war nicht illegal, für einen Weltverbesserer wie ihn hat es aber den Beigeschmack von Heuchelei. Zwar, sagt Bono, haben seine Berater das ohne sein Wissen gemacht. Der BBC gestand er aber zerknirscht ein: "Das war alles andere als vorbildlich!"

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