Das Erdbeben in Israel hätte nicht sein müssen

Jonathan Safran Foer
Der Amerikaner Jonathan Safran Foer hätte Zerstörungen à la Woody Allen nicht noch größer machen müssen.

Es hätte genügt.

Jacob hat während der Ehejahre verlernt, Julia den BH ohne Hände aufzumachen. Das konnte er früher so gut.

Dafür hat er gelernt, das Reisebett seiner drei Söhne auseinanderzufalten und gleichzeitig Stufen hinaufzugehen.

Julia hat verlernt, ihren Mann anzufassen. Dafür konnte sie problemlos eines der Kinder stillen (Sam, der Älteste, ist mittlerweile 13) und dabei eine Lasagne zuzubereiten.

Sind sie trotzdem gute Menschen?

Jacob schreibt auf seinem Geheimhandy einer Arbeitskollegin pornografische SMS. Julia liest sie. Es juckt sie nicht, sie ist "nur" mit ihrer Traurigkeit konfrontiert.

Darüber lässt Jonathan Safran Foer nach elf Jahren Roman-Pause auf 700 Seiten in Woody-Allen-Manier reden. Vor zwei Jahren hatte er seine Leserschaft mit dem Sachbuch "Tiere essen" vergrößert: Auch Fleischesser bekamen weit aufgerissene Augen (des Schreckens).

Weltuntergänge

Es hätte genügt, die jüdische, "noch" nicht religiöse Familie Bloch aus Washington beim Loslassen / Nicht-Loslassen zu beobachten..

Es würde nicht stören, wären bloß die persönlichen Weltuntergänge mitzuerleben. Sowie die Schwierigkeiten, trotz der zerstörten Innenleben mit etwas Neuem zu beginnen.

Aber Jonathan Safran Foer legte noch eine größere Zerstörung nach. Er lässt sich nicht vorwerfen, ihm fehle Mut. Außerdem wirkt dadurch sein Roman größer.

Als ein Cousin aus Tel Aviv bei den Blochs zu Besuch ist, wird Israel von einem gigantischen Erdbeben verwüstet. Araber nutzen die Gelegenheit und greifen an.

Damit haben wir mehr als nur einen familiären Riss. Er geht durch Länder, er geht durch den Ozean:

Denn wie viele amerikanische Juden kommen denn geflogen, um für Israel zu kämpfen?

Das ist die Welt. Eine geheizte Klobrille ist wichtig; und Frieden. Das ist die Welt. Dazu gehört auch, seinen alten, kranken Hund einschläfern zu lassen.

Schon wegen Argus, das ist der Hund, ist das menschliche Dilemma lesenswert. Auch für ihn opfert sich jemand auf. Aber es hilft nichts, für alles kommt die Zeit, und jetzt ist Zeit zu gehen.

Jonathan Safran Foer:
„Hier bin ich“
Übersetzt von Henning Ahrens.
Kiepenheuer & Witsch. 688 Seiten. 26,80 Euro.

KURIER-Wertung: ****

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