Das Erbe kann wiederkommen: Afrikas neue Museen

Das Erbe kann wiederkommen:  Afrikas neue Museen
Die Debatte um die Rückgabe von Kunst aus einstigen Kolonien befeuert ambitionierte Bauprojekte.

Wo wird man in Hinkunft Kunst aus Afrika und anderen Weltgegenden sehen, die einst von Kolonialmächten beherrscht waren? In Berlin, wo mit dem Humboldt Forum ein großes neues Museum entsteht, wird man zumindest bis 2020 warten müssen: Zur anhaltenden Diskussion über den – aus Sicht mancher Kritiker ungenügenden – Umgang der Institution mit kolonialer Geschichte kamen zuletzt bautechnische Probleme, die Eröffnung wurde verschoben.

Inzwischen wird die globale kulturelle Landkarte weiter neu gezeichnet. Seit Frankreichs Präsident Emmanuel Macron postulierte, dass während der Kolonialzeit zusammengeraffte Kulturgüter in ihre Herkunftsländer zurückkehren sollten, sind Dinge in Bewegung geraten. Die Perspektive auf Rückgaben beflügelt die Stärkung der kulturellen Infrastruktur in Staaten, die aus westlicher Perspektive bisher wenig wahrgenommen wurden. Wer auf Museumsprojekte in afrikanischen Ländern blickt, erkennt dabei viele neue Spieler am Feld.

Zivilisationen

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Offensichtlich wurde dies, als im vergangenen Dezember in Dakar das „Musée des civilisations noires“ (Museum schwarzer Zivilisationen, kurz MCN) eröffnete. Der enorme, in seiner Form traditionellen Rundhütten nachempfundene Bau umfasst eine Fläche von rund 14.000 m² und ist ein monumentales Zeichen dafür, dass das Land seinen Kulturgütern sehr wohl adäquaten Platz zur Verfügung stellen kann. Wenig überraschend bekräftigte der Kulturminister Senegals, Abdou Latif Coulibali, bei der Eröffnung gleich den Wunsch nach der Rückgabe zahlreicher Objekte aus französischen Museen.

Neue, professionell betriebene Schauplätze für afrikanisches Kulturgut gibt es auch in Togo, wo das „Palais de Lomé“ mit einem Schwerpunkt auf angewandte Kunst demnächst eröffnet, und in Südafrika, wo das „Javett Art Centre“ in Pretoria Funde der Eisenzeit ausstellen wird.

 

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Die neuen Sponsoren

Die afrikanischen Staaten können derartige Großprojekte freilich nur zum Teil selbst finanzieren. In Dakar investierte die Volksrepublik China 34 Millionen US-Dollar in den Bau des MCN – und beschäftigte bei der Umsetzung chinesische Firmen.

In Kinshasa, der Hauptstadt der demokratischen Republik Kongo, entsteht derzeit ein neues historisches Museum, die Mittel für den Bau stammen zu einem maßgeblichen Teil aus Südkorea. Laut Angaben der koreanischen Entwicklungsagentur KOICA wurden 20 Millionen US-Dollar bereitgestellt, der Großteil für Baukosten. Je 950.000 US-$ sind aber für aus Korea entsandte Experten und das Training des Personals vor Ort gewidmet.Dass Länder wie China und Korea in Afrika in Infrastrukturprojekte und in den Bau von Einrichtungen wie Fußballstadien investieren, ist seit langem bekannt – dass Kultursponsoring auch eine Möglichkeit ist, geistiges Territorium zu gewinnen, weniger.

„Man darf nicht unterschätzen, welche Rolle die Kolonialgeschichte spielt und wie präsent dieses Erbe im Denken der Leute ist“, sagt Barbara Plankensteiner, Direktorin das Museums am Rothenbaum/Kulturen und Künste der Welt in Hamburg. „Ein Fußballstadion ist auch schön, aber ein Museum hat einen ganz anderen Stellenwert. Das ist ein unglaubliches symbolisches Kapital, das für Politiker hier wie dort mit Interessen verbunden ist.“ Gerade für Korea, das selbst eine Geschichte der Besetzung durchmachte, ist es eine Frage des Renomees, nun anderen Ländern unter die Arme greifen zu können.

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Das Museum in Kinshasa soll im September eröffnet werden. Im Afrika-Museum im belgischen Tervuren, das selbst erst vergangenen Dezember den Neustart in einer renovierten, „dekolonisierten“ Form feierte, sind noch keine formellen Restitutionsansuchen eingegangen, heißt es auf Anfrage. Doch der Aufarbeitungsprozess zwischen einstigen Kolonien und Ex-Kolonialmächten steht erst am Anfang.

Im Februar klopfte die Regierung des nigerianischen Bundesstaates Lagos beim British Museum an, um die Rückgabe des so genannten „Lander Stools“ zu verlangen: Die Holzskulptur, die der britische Eroberer Richard Lander 1830 aus der Region mitnahm, sei Zeugnis des ersten Kontakts zwischen den Briten und der regionalen Yoruba-Kultur, hieß es. Platz finden soll sie nun im so genannten „John K. Randle Centre für Yoruba Culture and History“ in Lagos.„Es wird ein neuartiger Kulturraum, der die Gemeinschaft in einer Weise einbinden soll, wie es Museen nach westlichem Vorbild bisher nicht geschafft haben“, erklärt Seun Oduwole, Architekt des Komplexes, dem KURIER. So werde es in dem Bau, dessen Eröffnung für Mai 2020 geplant ist, viel Platz für Gemeinschaftsaktivitäten geben. Für die Ausstellungssäle zeichnet das Büro Appelbaum Associates verantwortlich, das u.a. auch die Räume des Weltmuseum Wien gestaltete.

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In Benin City/Nigeria soll schließlich ein neues Haus ab 2021 Kulturschätze zeigen, die heute noch in diversen europäischen Museen lagern. Die Gegenstände, die von den Briten 1897 aus benins Königspalast geraubt wurden, sind besonders belastete Zeugnisse kolonialer Ungerechtigkeit; einige davon befinden sich auch im Weltmuseum Wien.

Barbara Plankensteiner war dort einst Kuratorin und initiierte, ausgehend von einer Schau im Jahr 2007, den „Benin Dialog“ mit: In dieser Gruppe bemühen sich Museumsleute um stärkere Präsenz der Benin-Schätze im Ursprungsland. Die Expertin betont dabei, dass Restitutionsfragen nicht in einem Zug bilateral zwischen den Museen, ihren Trägern und den afrikanischen Partnern zu verhandeln sind: Sie seien für jeden Fall einzeln auf Ebene der Politik zu lösen. „Ob Dinge zurückgegeben oder ob sie im Augenblick als Dauerleihgaben übermittelt werden, macht für unsere Aufgabe als Museumspraktiker keinen Unterschied“, sagt Plankensteiner. „Vermutlich wird es ein Mix dieser Lösungen geben, weil sich die Dinge an einem Ort schneller bewegen und an einem anderen weniger.“

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