Das Ende des Burgtheaterfriedens

Spardruck, Finanzaffäre, Streit: Das Burgtheater sah schon bessere Zeiten
Das Ensemble sprach Direktor Hartmann das Misstrauen aus – was jetzt passieren wird...

Der nächste Akt im Finanzdrama am Burgtheater könnte zur Tragödie werden – und, in einem Shakespeare-haften Twist, den König treffen.

Denn das Ensemble des Hauses hat Burgtheaterdirektor Matthias Hartmann offiziell sein Misstrauen ausgesprochen. Und stellt dadurch auch zentrale Zukunftsfragen.

Was ist da los?

Das Burgtheater ist in einer schweren finanziellen und internen Krise. Die Bilanz der Saison 2012/’13 wird eine Finanzlücke von rund 8,3 Millionen Euro aufweisen. Dazu kommen noch Nachzahlungen ans Finanzamt von bis zu 5 Millionen Euro. Die Schuld wird der entlassenen Vizedirektorin Silvia Stantejsky gegeben: Sie soll durch Malversationen und chaotische Buchführung für das Finanzdesaster verantwortlich sein. Die Rede ist von gefälschten Unterschriften und Verzweiflungsbuchhaltung, um Löcher zu stopfen. Stantejsky weist die Vorwürfe von sich und wehrt sich vor Gericht.

Warum kam es nun zum Eklat?

Das Ensemble hat Burgtheaterdirektor Matthias Hartmann und dem Chef der Bundestheater-Holding, Georg Springer, mit großer Mehrheit das Misstrauen ausgesprochen. Grund dafür ist, dass Hartmann und Springer Stantejsky für das Desaster alleine verantwortlich machen und jede Mitschuld von sich weisen. Das Ensemble sieht sich „nicht in der Lage, dieser Darstellung glauben zu schenken“.

Wer hat recht?

Springer und Hartmann verweisen darauf, dass externe Prüfer in einem Zwischenbericht die Vorwürfe gegen Stantejsky „vollinhaltlich“ bestätigt haben: Entscheidend für die nächsten Schritte ist aber wohl auch, dass das Finanzdesaster an mehreren Kontrollebenen vorbeigegangen ist.

Kontrolliert niemand?

Doch. Hartmann ist künstlerischer Geschäftsführer des Burgtheaters. Es gilt das Vieraugen-Prinzip, wonach beide Geschäftsführer nennenswerte Buchungen abzusegnen haben. Hartmann ist in Fragen, in denen die beiden Geschäftsführer unterschiedlicher Meinung sind, sogar übergeordnet: Hartmann hat Dirimierungsrecht, sprich, er hätte Stantejsky in strittigen Fragen überstimmen können, davon aber umgehend den Aufsichtsrat in Kenntnis setzen müssen. Dieser, der Aufsichtsrat, ist ein weiteres Kontrollorgan (Vorsitzender: Springer). Auch die übergeordnete Bundestheaterholding (Chef: Springer) hat die Burg-Budgets nicht beanstandet. Ebenso wurden alle Abschlüsse des Burgtheaters von einer Wirtschaftsprüfungsagentur abgesegnet.

Was heißt das für Hartmann?

Sogar ein vorzeitiges Ende der Direktion Hartmann ist nicht ausgeschlossen: Oppositionsparteien fordern bereits „Rücktritt“ bzw. „Köpferollen“ in der Burg. Und das Ensemble geht davon aus, dass die Politik das Misstrauensvotum „nicht ignorieren“ werde. Das lässt sich als Handlungsaufforderung an Kulturminister Josef Ostermayer verstehen. Dieser sah in einem Ö1-Gespräch „keinen Grund“, Hartmann das Vertrauen zu entziehen. Unklar ist, wie Direktor und Ensemble weiter zusammenarbeiten sollen. Das Ensemble wirft Hartmann „unwürdige und unproduktive Angstpolitik“ vor. Hartmann betont, die Stimmung im Ensemble „sehr ernst“ zu nehmen.

Geht es nur um die aktuelle Finanzaffäre?

Wohl nicht. Es gab bereits in der Vergangenheit Gerüchte um Querelen zwischen Hartmann und Burgschauspielern sowie zwischen Hartmann und Springer.

Was heißt das für Holdingchef Springer?

Der Vertrag des Langzeitchefs der Bundestheaterholding läuft Ende des Jahres aus. Der Rest von Springers Amtszeit wird von der Burgaffäre überschattet sein. Dass ihm das Burgtheater-Ensemble das Misstrauen ausgesprochen hat, ist auch für Springer problematisch. Er signalisierte, „die Irritation und die Unsicherheit“ im Ensemble verstehen zu können.

Was passiert jetzt konkret?

Vorerst wohl, wie so oft, nicht viel. Die Wartezeit bis zum Endbericht der externen Prüfer (angekündigt für Ende Februar) wird von allen unter Druck Geratenen dazu genützt werden, die Situation so weit wie möglich zu entschärfen. Der Prüfbericht dürfte Stantejsky schwer belasten und damit Argumentationshilfen für Hartmann und Springer bieten. Der Gerichtsstreit mit Stantejsky wird Jahre dauern und wohl keine unmittelbaren Auswirkungen auf den Fortlauf der Affäre haben. Eine etwaige Prüfung durch den Rechnungshof könnte langfristig mehr Klarheit über die Hintergründe der Affäre bringen; aber auch eine Entscheidung des Rechnungshofes in diese Richtung wird wegen der zu erwartenden Dauer keine unmittelbaren Auswirkungen haben. Unter den am unmittelbarsten Betroffenen ist Kulturminister Ostermayer: Gleich nach seinem offiziellen Amtsantritt muss er eine schwere Krise am Burgtheater meistern.

Wurde die Burg von der Politik kaputtgespart, ist die Kulturpolitik schuld?

Nein. Wahr ist: Die Subvention ist zwar seit fast eineinhalb Jahrzehnten mehr oder weniger gleich geblieben und daher immer weniger Wert. Das betrifft so gut wie alle ausgegliederten ehemaligen Bundeskultur-Institutionen (Theater, Oper, Museen) und setzt die größten kulturellen Aushängeschilder des Landes unter scharfen Spardruck. Hartmann selbst verwies auf dementsprechende Erfolge: „Ich habe die Stellschrauben, die ich in der Hand habe, sehr wohl bedient.“ Dass sich aber etwa die hohen Ausgaben für die Eröffnungssaison Hartmanns mit ungewöhnlich vielen Premieren und zahlreichen Übernahmen aus Zürich in der Bilanz nach wie vor zu Buche schlagen, ist bei den Bundestheatern ein offenes Geheimnis.

Burgtheaterdirektor Matthias Hartmann richtete nach dem Misstrauensvotum des Ensembles aus: „Die Tatsache, dass ich vielen Ensemble-Mitgliedern des Burgtheaters nicht in ausreichender Form meine unausgesetzten Bemühungen zur Bewältigung dieser schweren Krise hinreichend klar machen konnte, macht mich betroffen“.

Kulturminister Josef Ostermayer setzte im Standard ein wohl schmerzliches Signal für die Burg: Für ihn kommt eine (vom Burgtheater ersehnte) Subventionserhöhung nicht infrage. „Man hat mehr produziert, als man sich leisten konnte“, sagte er. Nun muss man „Entscheidungen treffen, die man in der Vergangenheit nicht getroffen hat“.

Hartmann kann sehr wohl etwas dafür, wie das Burgtheater jetzt dasteht“, sagte Schauspieler Johannes Krisch zur APA. „Künstlerische und kaufmännische Seite arbeiten zusammen. Man kann sich nicht ausreden, man habe von der anderen Seite nichts gewusst. Misswirtschaft findet ja auch in der Hinsicht statt, dass er einfach zu viele Produktionen macht.“

Schauspieler Peter Matić forderte im Ö1-Mittagsjournal die Direktion auf, dem Ensemble „zu erklären, wie diese finanzielle Situation zustande gekommen ist.“ Es bestehe „absolute Angst: bin ich der Nächste?“, so Matić zu Vertragsauflösungen mit Burgschauspielern.

Der Fall erinnert an den ADAC in Deutschland: Da wie dort handelt es sich um eine heilige Kuh, um eine lange Zeit zutiefst vertrauenswürdige Institution, die öffentlich geschlachtet wird. Da wie dort stolpert jemand aus der zweiten Ebene über Malversationen – in der Hoffnung zahlreicher Mitwissender, dass dieses Bauernopfer ausreiche. Da wie dort werden immer mehr Unregelmäßigkeiten bekannt. Und schon bald geht es um die Führungsspitze, im Fall des Burgtheaters um Direktor Matthias Hartmann sowie um Holding- und Aufsichtsratschef Georg Springer. Dass das Ensemble beiden das Vertrauen entzog, ist mehr als ein symbolischer Akt. Es ist das Ende einer konstruktiven Zusammenarbeit. Konsequenterweise müsste es Springer den Job kosten. Oder Hartmann. Oder beide. Aber wichtig sind jetzt ohnehin nicht mehr Personen, sondern nur noch das Theater, das diese Zeit ohne nachhaltigen Schaden überstehen muss. Dass sich Oppositionsparteien bereits zu Wort melden, ist die gefährlichste Drohung.

Das Ungarische Nationaltheater verzichtet auf eine Teilnahme am für März geplanten "Ungarn-Festival" am Wiener Burgtheater. Das teilte Intendant Attila Vidnyanszky dem Burgtheater-Direktor Matthias Hartmann in einem Brief mit. Wie die ungarische Nachrichtenagentur MTI am Sonntag zitiert, hätte Vidnyanszky als Gründe der Absage die "um das Burgtheater entstandene unsichere Lage" angeführt.

Der Intendant berief sich in seinem Brief auf Informationen aus Wien. "Wir lesen in den Medien, dass das von Ihnen geführte Theater bei einem Budget von 50 Millionen Euro 8,3 Millionen Euro Verluste anhäufte." Diese Nachrichten würden im Zusammenhang mit Hartmann weiter von "Veruntreuung, Datenfälschung, kreativer Buchhaltung, Überweisen von öffentlichen Geldern auf Privatkonten" und darüber berichten, dass "Sie Ihren Bruder und Schwager mit der Leitung des Jugend-Programms betrauten". Vor diesem Hintergrund sei das Burgtheater "nicht der richtige Schauplatz, um hinsichtlich der Angelegenheiten eines anderen Landes die Vermittlerrolle zu spielen".

"Außerordentlich beleidigend"

Laut Vidnyanszky hätte sein Theater ursprünglich die Einladung des Burgtheaters nach Wien angenommen, obwohl dessen Direktor die Einladung des Ungarischen Nationaltheaters zu einem internationalen Theater-Festival nach Budapest im September 2013 abgelehnt hatte.

Als Grund wurde damals angeführt, der gute Ruf des Burgtheaters solle nicht benützt werden, "um den beschädigten Ruf der ungarischen Kulturpolitik zu reparieren". Methode und Argumente der Ablehnung bezeichnete Vidnyanszky in seinem Brief als "außerordentlich beleidigend". Vidnyanszky wolle sein Theater und dessen Ensemble nun davor schützen, dass sie wegen der im Burgtheater und im österreichischen Theaterleben "tobenden Debatten, wegen Ereignissen mit Skandalgeruch zu irgendeinem Spielball werden", begründete der Intendant die Absage, obwohl sich sein Ensemble lange auf "Johanna auf dem Scheiterhaufen" vorbereitet hatte, die den Angaben zufolge teuerste Vorstellung des Nationaltheaters.

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