Kann man mit kaputten Zähnen bezirzen?

Der nächste Bestseller: Daniel Glattauer, Jahrgang 1960, ist der erfolgreichste Schriftsteller Österreichs
"Geschenkt": Wohlfühl-Roman mit Geldspenden.

Wenn Daniel Glattauers Aufwärmtraining im Frühjahr ("Die Wunderübung") in den Bestsellerlisten noch immer oben steht – was machen wir dann mit "Geschenkt"?

Wundern.

Wundern, weil die Geschichte vom Versager, der 1. ein lieber Vater und 2. ein begehrter Journalist wird, gute Unterhaltung ist. Zum Wohlfühlen, mit ordentlich viel Nächstenliebe. Wir müssen mehr zusammenrücken! Ja eh.

Braunschweiger Idee

Und wundern, weil vieles an der Geschichte so falsch klingt, dass man besser nicht mitdenkt, sondern versinkt.

Kann man mit kaputten Zähnen bezirzen?
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Oder ist es schon je einem Mann mit ganz kaputten Zähnen gelungen, seine ausgesprochen hübsche Zahnärztin während der Behandlung zu bezirzen?

Oder geht wirklich ein Aufschrei durch Österreich, wenn eine tschetschenische Familie, die sechs Jahre in Österreich gelebt hat, des Landes verwiesen wird?

Und der Journalist, der den Fall als Erster aufgegriffen hat – ist der dann in aller Munde? Kennt und schätzt ihn dann tatsächlich auch die Kassierin im Supermarkt?

Dabei ist ein Teil von "Geschenkt" wahr ... wie man so sagt: Eine Serie anonymer Geldspenden an soziale Einrichtungen erfreut seit 2011 die Stadt Braunschweig.

Umgelegt auf Glattauer heißt das: Immer wenn der versoffene, traurige, rund 45 Jahre alte Ich-Erzähler Gerold Plassek, der bei einer miesen Gratiszeitung arbeitet, eine kurze Meldung über in Not geratene Menschen bzw. finanzschwache karitative Organisationen ins Blatt rückt, geht dort ein Brief mit 10.000 Euro und dem herausgeschnittenen Zeitungsbericht ein. Auch als er die Zeitung wechselt, bleibt der Spender ihm bzw. seinen Reportagen treu ...

Irgendwie fehlt jetzt die Lust, ausführlicher über den Inhalt zu erzählen. Zu groß ist die Gefahr, dass man von den Wertungssternen einen halben wegnimmtt.

Jedenfalls hat dieser Gerold Plassek einen 14-jährigen Assistenten: Manuel, den Sohn einer Freundin, auf den er aufpasst, während die Mutter als Ärztin in Afrika ist.

Der tolle Bub weiß es nicht, und Plassek hat es soeben mit 14 Jahren Verspätung erfahren: Manuel ist sein Sohn.

So. Jetzt hören wir aber wirklich auf mit dem öden Nacherzählen.

Daniel Glattauers Bücher treiben Menschen in die Buchhandlungen, die normalerweise nicht so viel lesen. Er hat G’spür, er hat Stil, man merkt sein Bemühen, etwas tiefer zu schauen – und er kann berühren. Wieso kann er mit so einem Konstrukt berühren??? Wer gern sentimental ist, wird bedient. Glattauer macht alles richtig. Insofern.

KURIER-Wertung:

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