Danach kommt die Zukunft der Gurke

Laurent Binet
Die siebte Sprachfunktion: Philosophen-Thriller von Laurent Binet.

Es rennt ein Mann beim Überqueren einer Straße in Paris gegen den Lieferwagen einer Wäscherei und stirbt Tage später im Spital.

Ein Zeuge meldet sich.

"Meiner Meinung nach hat ihn jemand umgebracht", sagt er.

Der Polizist fragt nach: "Wer hat ihn umgebracht?"

Der Zeuge antwortet: "Die Sachwalter der alten Welt! Die Zuhälter eines längst toten Denkens!"

Der Kommissar, ein Rechter, freut sich über den Fall, der ihn zu den linken Klugsch... führt.

M wie Mutter

Der Tote ist Roland Barthes. So starb er wirklich, im März 1980, nach einem Essen beim Präsidentschaftskandidaten Mitterand. Ein Philosoph, Literaturwissenschaftler ... er dechiffrierte die Welt. Er übersetzte die Zeichen, mit denen sich unsere Gesellschaft ausdrückt.

Wofür steht M in den James Bond-Filmen? (Ist ja nur ein Beispiel. Barthes hat sich selbstverständlich auch mit der Zukunft der Gurke beschäftigt.) M, Bonds Chefin, steht für mother – und seine Mutter ist England. Wieso ist Q nicht F wie father ..?

Der Zeuge ist Barthes’ Kollege Michel Foucault, von dem man etwas über Macht und Begierde lernen kann.

Türen auf!

Und weil sich der überforderte Kommissar einen jungen Unidozenten schnappt und zum Assistenten macht, gehen beim Lesen die Türen auf.

Türen in verrauchte Bars, wo Stricher am Klo auf die Prominenz warten.

Türen zu Salons, in den Tabbouleh mit Trüffel gereicht wird; plus ein Joint.

Auch eine Tür nach Bologna geht auf, dort schüttet Umberto Eco viel Alkohol in sich hinein und auf die Hose.

Und mehrere Türen führen direkt ins Hirn.

So kitzelt der Roman "Die siebte Sprachfunktion" abwechselnd den Bauch und hämmert in den Kopf. Ein seltenes Vergnügen. Manchmal ist’s umgekehrt, dann bekommt der Bauch einen Schlag, und der Kopf wird bloß gekitzelt.

Dem Pariser Laurent Binet gelang eine Satire über die schöne, eitle Welt der Denker. Einige reale Mitspieler – Jack Lang, Bernard-Henri Lévy – leben noch.

Die Lust wird groß und größer, nachher das Werk von Barthes zu studieren.

In Binets Roman ist ein Manuskript von ihm verschwunden (wie in "Der Name der Rose"). Es handelt von der Magie der Sprache.

Aber die kennen wir ja, dafür hätten keine Regenschirmmörder zustechen müssen ...


Laurent Binet:
„Die siebte Sprachfunktion
Übersetzt von Kristian Wachinger.
Rowohlt Verlag. 528 Seiten. 23,60 Euro.

KURIER-Wertung: **** und ein halber Stern

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