Damit über vermisste Kinder geredet wird

Dacia Maraini

Es war das erste Mal, dass eine männliche Romanfigur an ihre Tür klopfte. Mehrmals ist der Volksschullehrer Nani Sapienza zu ihr mit seinen Nöten gekommen, seine Tochter starb an Leukämie, seine Ehefrau lief davon … "und da habe ich ihn aufgenommen."

Dacia Maraini lässt im neuen Roman "Das Mädchen und der Träumer" einen Mann erzählen und ihn auf die Suche gehen, erstmals in ihrem umfangeichen Werk.

80 ist die Schriftstellerin, die mit "Erinnerungen einer Diebin" (1972) berühmt wurde und mit "Die stumme Herzogin" (1990) ihren größten Erfolg hatte.

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Pasolini war ihr Freund, Alberto Moravia ihr langjähriger Lebenspartner. Simone de Beauvoir und Alice Schwarzer sind ihr Antrieb, hat sie einmal gesagt.

Dacia Maraini hat in Wien – davon schwärmt sie – eine große Fangemeinde, und sie kommt wieder: am 31.März in die Hauptbücherei.

Aber wenn man zuletzt bei einem TV-Quizsendung miterlebt hat, wie nicht einmal gewusst wird, wie der Freund von Huckleberry Finn heißt, ist es zur Sicherheit besser, man stellt die Italienerin, die immer wieder als Kandidatin für den Nobelpreis genannt wird, kurz vor.

In "Das Mädchen und der Träumer" wird ein Kind auf dem Weg zur Volksschule entführt. Lehrer Sapienza ist der Einzige, der die Hoffnung nie aufgibt und ermittelt:

"Wir sollten weitersuchen. Das Mädchen verdient es, dass wir weitersuchen."

Das Buch sieht nur wie ein Krimi aus, ist es aber nicht. Dacia Maraini – von Amnesty informiert, von Natascha Kampusch schrecklich inspiriert – holt mit weitem Blick aus. Sehr weit.

Von Rotkäppchen führt der Weg bis zu den Kinderbordellen in Kambodscha. Maraini lässt nichts aus. Sie will, dass viel mehr über Kinderhandel gesprochen wird. Nebenbei fordert sie indirekt muslimische Kinder auf, dem eigenen Verstand zu folgen und nicht den verirrten Erwachsenen.

Der Wunsch nach Vaterschaft wird ebenfalls thematisiert (denn wer weiß, ob noch viele Bücher folgen werden, und so viel bleibt zu sagen):

"Auch Väter wollen Eltern sein. Nur verleugnen sie ihren Wunsch, weil er ihnen nicht männlich erscheint."

Dacia Maraini:
„Das Mädchen und der
Träumer“
Übersetzt von Ingrid Ickler.
Folio Verlag.
335 Seiten.
22 Euro.

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