Crossing Europe: An den Grenzen des Kinobetriebs
In seinen ersten zehn Jahren hat sich das Crossing Europe Festival in Linz als zweitwichtigstes internationales Filmfestival Österreichs etabliert. Und das mit einer Programmpolitik, die konsequent an den Gesetzen des Kinobetriebs, auch jenen der Programmkinos, vorbei operiert. "Wir versuchen, nicht die üblichen Verdächtigen des europäischen AutorInnenkinos abzubilden, sondern Filme zu zeigen, die im regulären Kinobetrieb keinen Platz mehr haben," sagte Festivaldirektorin und -begründerin Christine Dollhofer im KURIER-Interview.
Ein zweites Erfolgsrezept des Linzer Festivals ist seine familiäre Atmosphäre. Es ist ein Festival der kurzen Wege mitten im Zentrum der Kulturhauptstadt 2009. Dollhofer ist omnipräsent, nicht nur bei ihren Eröffnungsreden, wo sie von der Landes-Politprominenz bis zu ihrem Team, alle willkommen heißt. Auch die Geburtstagstorte teilt sie selbst für die Festivalgäste auf und erklärt am späteren Abend persönlich einer Menschenschlange, die auf Einlass bei der Eröffnungsparty wartet, warum es ein bisschen dauern wird.
Europas Randlagen
Menschenschlangen sind auch bei den Kinovorstellungen am Vormittag keine Seltenheit, wenn etwa für das elegische schottische Drama "Shell" um 11:30 Uhr keine Karte mehr zu bekommen ist. Es ist einer jener europäischen Debütfilme, für die der Wettbewerb des Festivals eine Plattform bietet. Der 38-jährige schottische Autor/Regisseur Scott Graham bildet die Einsamkeit einer introvertierten 17-Jährigen ab, die gemeinsam mit ihrem an Epilepsie leidenden Vater eine abgeschiedene Tankstelle inmitten einer kargen Highland-Landschaft betreibt. Es wird wenig gesprochen. Aber genau das Nicht-Gesagte sagt hier am Allermeisten aus.
"Shell" könnte aber auch in der diesjährigen Sonderprogrammschiene "Randlagen" laufen, wo die Auswirkungen der Globalisierung auf die Entwicklung der Provinz jenseits der "Global Cities" beleuchtet wird, sowie die damit einhergehende Abwanderung junger Menschen. Hier laufen aber vorwiegend Dokumentarfilme, etwa "Casas par todos", wo es um gigantische leerstehende Feriensiedlungen geht, die im Zuge der spanischen Immobilienblase entstanden sind (zu sehen noch am Samstag, 16:30).
Griechenland auf der Suche
Constantina Voulgaris Film sei eigentlich ein "No Budget"-Film. Derzeit in Griechenland Filmförderung zu bekommen, sei ein unberechenbares Unterfangen, so die Schauspielerin. Man könne auch nicht mehr von einer griechischen Filmindustrie sprechen. Georgiadou: "Wenn zehn Filme pro Jahr herauskommen, dann ist das schon ein Wunder."
Eine Brise Sinnlosigkeit
Regisseur Quentin Dupieux setzt dabei auf das Motto "No Reason". Da machen Feuerwehrmänner genüsslich Pause, während zehn Meter daneben ein Lieferwagen ausbrennt. Da springt die Uhr auf einem Nachtkästchen von 7:59 Uhr auf 7:60 Uhr. Diese Uhr steht im Schlafzimmer von Dolph (Jack Plotnick), dessen Leben komplett aus den Fugen gerät. Sein Hund ist entlaufen, die unbekannte Frau am Pizza-Telefon drängt sich plötzlich als neue Partnerin auf, im Großraumbüro regnet es unentwegt, Dolph arbeitet dort unverdrossen weiter, obwohl er schon vor Wochen gefeuert worden ist.
Diese aberwitzige Melange an Absurdität entstammt der Experimentierfreude eines Mannes, der Ende der Neunziger als Electromusiker "Mr. Oizo" Berühmtheit erlangte. Das drollige gelbe Kuscheltier aus dem Video zum Hit "Flat Beat" fand u.a. in einem Jeans-Werbespot Verwendung. Auch in "Wrong" sorgt Dupieux mit blubbernden und frickeligen Sounds für schräge Atmosphäre.
Gut, dass die Filme aus der "Nachtsicht"-Reihe auch in Wien zu sehen sein werden: Am 2. und 3. Mai wird das Filmcasino unter dem Titel "slashing europe" wieder zur Crossing-Europe-Außenstelle. "Wrong" wird am 3. Mai gezeigt.
INFOS: www.crossingeurope.at
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