Comeback von Sigur Rós: Zwischen Melancholie, Träumen und Hoffnung
In einer „depressiven, schweren und intensiven Zeit“, sagt Sigur-Rós-Sänger Jónsi Birgisson, sei „Átta“ entstanden, das eben erschienene achte Album der isländischen Ausnahme-Band. Und damit meint der in Los Angeles lebende Musiker nicht einmal die Pandemie, sondern einzig und alleine die Ereignisse in seinem privaten und beruflichen Umfeld.
Gleich zwei Mal wurden Sigur Rós nämlich in den vergangenen zehn Jahren in Island wegen Steuerhinterziehung angeklagt. Je nachdem, wen in der Band man dazu befragt, lag das an Missverständnissen und Buchhaltungsfehlern (Bassist Georg Hólm) oder an einer Schikane der Behörden (Birgisson).
Der Sänger, der mit seiner Technik, die E-Gitarre mit dem Geigenbogen zu streichen, den Sigur-Rós-Sound bestimmt, trennte sich außerdem von seinem langjährigen Partner Alex Somers. Und zusätzlich wurde noch Schlagzeuger Orri Páll Dýrason der sexuellen Belästigung beschuldigt und stieg kurz danach aus der Band aus.
Statt ihm kam aber der 2012 ausgestiegene Multiinstrumentalist, Keyboarder und Orchesterarrangeur Kjartan Sveinsson zurück. Und sein Einfluss könnte auf „Átta“ nicht deutlicher zu hören sein. Denn statt wie auf dem wütenden, von Perkussion und schnellen Rhythmen getriebenen Vorgänger „Kveikur“ dominieren hier getragene, schwebende Sounds und das London Contemporary Orchester.
Mit ihm haben Sigur Rós „Átta“ in den Londoner Abbey Road Studios aufgenommen – im selben Raum, in dem anno dazumal die Beatles gearbeitet hatten. Rausgekommen ist dabei ein sphärisches Ambient-Album, bei dem Birgissons unnachahmlicher und wieder vorwiegend lautmalerischer Gesang eng mit den flächigen Sounds verbunden ist und die Orchester-Streicher mit seiner Gitarre verschmelzen.
Die Depressivität, die er anspricht, ist dabei aber nicht das vorherrschende Feeling. Es steckt schon genug Melancholie und Traurigkeit in diesem Album, aber in seiner Essenz ist „Átta“ wie eine wunderbare Einladung, in eine andere Sphäre zu entschweben, in der man träumen kann, auch Hoffnung hat und sich zumindest ein wenig von den Belastungen der Zeit befreien kann.
Auch wenn man häufig das Gefühl hat, dass ein Song in den anderen übergeht, gibt es unter anderem mit dem reduzierten „Blóðberg“und den beiden fast sakralen Songs „Mor“ und „Ylur“ absolute Highlights. Wer sich selbst die Zeit gibt, sich nach und nach auf „Átta“ einzuhören, wird mit einem entspannenden, bewegenden und aufbauenden Hörerlebnis belohnt.
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